Wut allein reicht nicht

Durch seine Rollen in TV- und Kinofilmen ist Hannes Jaenicke dem deutschen Publikum bestens bekannt. In jüngster Zeit ist er zudem vermehrt als engagierter Ökoaktivist in Erscheinung getreten, unter anderem durch seine Umweltdokus „Hannes Jaenicke: Im Einsatz“, von denen bislang drei Folgen – über Orang-Utans, Eisbären und Haie – im ZDF ausgestrahlt wurden. Weitere Folgen über Gorillas und Delfine sind abgedreht, und nun hat Jaenicke darüber hinaus ein Buch geschrieben, das mehr ist als „nur“ ein Begleitbuch zur Serie. Entstanden ist ein ergreifendes Plädoyer für bedrohte Arten, Umwelt und Klima sowie eine praktische Anleitung dazu, wie jeder Einzelne aktiv zu Umwelt- und Klimaschutz beitragen kann.

„Als uns das Angebot gemacht wurde, ein Buch zur ZDF-Reihe zu schreiben“, sagt Hannes Jaenicke über sein jüngstes Projekt, „lehnten wir aus Zeitgründen dankend ab. Meine Partner und ich steckten in den Vorbereitungen zu zwei neuen Filmen und hatten alle Hände voll zu tun. Aber dann fanden im Herbst 2009 zwei Ereignisse statt, die uns umstimmten: die deutsche Bundestagswahl und die Klimakonferenz in Kopenhagen. Ersteres versprach wegen des Erfolgs der FDP wenig Gutes in Bezug auf die Umweltpolitik“, ergänzt er in seiner gewohnt offenen Art. „Letzteres war bekanntlich ein solches Debakel, dass ich kopfschüttelnd vor Wut vor dem Fernseher saß und zwei Dinge realisierte: Politik und Industrie werden auch weiterhin wenig zum Umweltschutz beitragen außer Geschwätz und Greenwash. Und der Schwarze Peter bleibt wie immer beim sogenannten Endverbraucher hängen. Und das sind Sie und ich.“

Was dies konkret bedeutet, zeigt Jaenicke eindringlich am Beispiel akut bedrohter Tierarten wie Gorilla, Orang-Utan, Eisbär oder Delfin. Er bleibt aber nicht bei diesen Publikumslieblingen stehen, sondern plädiert auch für Arten, die wie Wolf oder Hai ein „Imageproblem“ haben. Gerade die Haie sind durch den Fischfang zunehmend bedroht und nicht nur Opfer des grausamen „Finnings“, bei dem ihnen bei lebendigen Leibe die Flossen abgeschnitten werden, nur um die steigende Nachfrage nach Rohmaterial für die vor allem in Asien beliebte Haifischflossensuppe zu befriedigen. Auch unsere Fischtheken sind voll von Hai-Produkten, die uns verkaufswirksam unter allerlei Fantasienamen aufgetischt werden: „Seeaal/Meeraal, Schillerlocke, Kalbsfisch, Speckfisch, Karbonadenfisch, Königsaal, Steinlachs, Seestör, Falsche Jakobsmuschel, Falsches Krabbenfleisch (Surimi)“, klärt Jaenicke auf, „alles ein und dieselbe Sorte: Hai!“

Mancher mag denken, dass wir ohne Haie ohnehin besser dran wären – aber auch da klärt Jaenicke auf und betont, dass jährlich mehr Menschen von herabfallenden Kokosnüssen als durch Hai- Attacken getötet oder verletzt werden. Außerdem, und das ist der springende Punkt, weist er auf die zentrale Bedeutung der Haie im Ökosystem Meer hin: Ohne die großen Räuber geraten die ohnehin durch globale Erwärmung, Überfischung und Umweltverschmutzung angeschlagenen Ozeane noch mehr aus dem bereits empfindlich gestörten Gleichgewicht, was gravierende Folgen – auch für uns selbst – nach sich zieht.

So wird der Hai zum Symbol wie auch zum konkreten Beispiel: Als Symbol steht er für alle Meeresbewohner und das Ökosystem Ozean; als konkretes Beispiel steht er für unseren Umgang mit unseren Ressourcen und unserer Umwelt. Um im konkreten Beispiel zu bleiben: Jaenicke zeigt uns hier wie auch an anderen Stellen praktische Wege auf, wie wir durch intelligenten Konsum zum Arten- und Umweltschutz beitragen können, auch wenn die Politik versagt. Er ist überzeugt, „dass wir als Konsumenten eine ungeheure Macht besitzen: die Macht der Nachfrage. Wenn wir unser Konsumverhalten ändern, muss der Markt reagieren. Das Dümmste, was wir tun können, ist zu resignieren. Das Klügste, was wir tun können, ist, unsere stärkste Waffe zu benutzen: unseren Geldbeutel.“ Im Falle des Hais heißt dies erst mal, sich schlau zu machen. „WWF, Greenpeace und andere bieten praktische Fischlisten an, um den Fischliebhaber zu informieren, welches See-Getier überfischt und welches noch genießbar ist“, so Jaenickes praktischer Rat um die maritime Fauna und uns selbst zu schützen.

Viel Raum räumt Jaenicke auch dem Klimaschutz ein. Nicht nur der Eisbär und sein schwindender Lebensraum stehen für den Problemkomplex – auch ein bekannter, aber immer seltener werdender Vogel aus unseren Breiten wird zum Symbol: „Wer sich auch nicht an den Menschen gemachten Klimawandel gewöhnen will, ist der Kuckuck: Pünktlich wie seit eh und je kehrt der Langstreckenflieger ab Mitte April aus seinem Winterquartier südlich des Äquators nach Nordeuropa zurück, um seinen Nachwuchs von den sogenannten Wirtsvögeln ausbrüten zu lassen. Doch seit einigen Jahren kommt er zu spät, denn viele Vögel wie das Rotkehlchen, der Teichrohrsänger und die Bachstelze haben aufgrund der milderen Durchschnittstemperatur in unseren Breitengraden längst mit der Brut begonnen, weil sie gar nicht mehr in den Süden fliegen. Da hat es das Kuckuckspaar schwer, Nester mit so junger Brut zu finden, dass der frisch geschlüpfte Kuckuck später problemlos seine kleineren Stiefgeschwister aus dem Nest schubsen kann, um die ‚Nestbewirtung‘ allein zu genießen. Für den ‚Cuculus canorus‘ wird es eng!“

Die wirkungsvollste Kuckucks- und Klimaschutzmaßnahme ist laut Jaenicke eine respektvolle Haltung gegenüber der Natur. „Was die Erde dringend braucht, sind Menschen mit echtem Verantwortungs- und Mitgefühl, Menschen, die ohne prahlerisches Getöse und Brimborium ihren Lebensstil ändern.“ Das beinhaltet eine Reihe kleiner Änderungen im Konsumverhalten, die Jaenicke nicht dogmatisch vertritt, sondern als praktische Vorschläge verstanden sehen will. Dazu gehört der Wechsel zum Ökostrom- Anbieter genauso wie das Stromsparen, zu dem er viele nützliche Tipps zusammengetragen hat, die nicht nur helfen, Umwelt und Klima zu schützen, sondern auch den eigenen Geldbeutel zu schonen. Man muss also nicht unbedingt auf etwas verzichten, um einen Unterschied zu machen. Man muss allerdings nicht nur über die Notwendigkeit zur Veränderung reden, man muss wirklich handeln! „Ich selbst habe viel zu lange gebraucht, meine persönliche Wut über die Ignoranz und fadenscheinigen Lippenbekenntnisse von Politikern und Wirtschaftsbossen in Aktivität umzusetzen“, betont Jaenicke. „Wir dürfen es einfach nicht ‚denen da oben‘ überlassen.“

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Weitere Informationen:

www.wut-allein-reicht-nicht.de

BUCH-TIPP:
Hannes Jaenicke
‚Wut allein reicht nicht – Wie wir die Erde vor uns schützen können‘
240 Seiten, € 22,95
ISBN 978-3-579-06761-2
Gütersloher Verlagshaus