Schöpfer ohne Ahnung

Meine Mutter ist eine sehr rationale und gleichzeitig willensstarke Frau. Wenn ihr ein Unwohlsein gerade nicht passt – was meistens der Fall ist –, hat sie die erstaunliche Fähigkeit, das Ganze einfach »wegzuwünschen« und durch anschließendes Ignorieren wieder in die Versenkung zu verfrachten, aus der es gekommen ist. So hat sie immerhin schon fast 70 Jahre – und kaum einer Genussfreude abgeneigt – ohne nennenswerten Krankheiten gelebt.

Die Herangehensweise zeigt zumindest: Wir haben viel mehr Willenskraft, als wir glauben. Und: Krankheiten lassen sich offensichtlich bewusst lenken. Allerdings ist dies nur ein Aspekt der Funktionsweise unseres Bewusstseins. Vielen genügt es nicht, einfach etwas zu verdrängen oder Pillen zu schlucken, um die Symptome schnell »wegzuhaben«. Manchmal rächt sich diese Vorgehensweise, wenn später die Beschwerden in veränderter Form und häufig noch heftiger auftreten.

Eine Menge versierter Menschen, die sich mit Heilung beschäftigen, haben inzwischen erkannt, dass jeder Krankheit eine tiefere Bedeutung zugrunde liegt. Ein bestimmter Schmerz, ein spezieller psychischer Zustand ist Alternativmedizinern und Heilern zufolge ein Signal unserer Seele, die uns auf eine Lücke in unserem Bewusstsein hinweisen will. Meist geht es um eine Angelegenheit, die unserem Innersten viel bedeutet, die wir aber nicht wirklich beachten, weil wir a) es nicht gelernt haben, b) uns vor den Konsequenzen fürchten oder c) uns lieber an vorgegebene Lebensmodelle anpassen.

»Je umfassender das wahrnehmende Bewusstsein eines Menschen ist, desto höher ist die Entwicklung seiner Seele.«
W. Brugh Joy

Seelenimpulse

Doch wie wichtig die Entfaltung unserer Seele und ihrer Impulse ist, zeigen besonders jene, die – mit Unterstützung oder ohne – zur Heilung gefunden haben, wobei es ohne das eigene Zutun im Grunde nie funktioniert, so bestätigen es durch die Reihe alle, die heilerisch tätig sind. In den Berichten von außergewöhnlichen Heilungen liest und hört man immer von der Hinwendung zu den »wichtigen Dingen im Leben«, von der Erkenntnis, dass das Leben ein verkanntes Geschenk ist und wir nur die Augen für die schönen Seiten unserer Existenz öffnen müssen. Das ist es, wofür unsere Seele uns empfänglich machen will.

Der allererste Schritt zur Heilung besteht immer darin, dass der Erkrankte sich wirklich eingesteht, dass er krank ist. Wer so tut, als sei nichts und als könne alles so bleiben, wie es ist, der versperrt sich den Weg zu einer ganzheitlichen Gesundung. Erst im nächsten Schritt kann man sich dann Fragen widmen wie: Welche Bedeutung hat mein Leiden? Warum ist es gerade diese oder jene Krankheit? Klassiker der Alternativmedizin wie »Krankheit als Symbol« von Ruediger Dahlke oder andere Bücher zur »Organsprache« haben in dieser Hinsicht viel Pionierarbeit geleistet, um die geheime Sprache der Wirkweisen unseres Lebendigseins in Verstandesworte zu übersetzen. Dazu ist einerseits medizinisches und andererseits intuitives Wissen notwendig.

Bedeutung von Krankheiten

Aus der Information, dass z.B. der Darm für die Ausscheidung verarbeiteter Substanzen zuständig ist, wird bei dessen Erkrankung geschlossen, dass mit dem Loslassen bestimmter Themen im gegenwärtigen Leben etwas nicht stimmt. Die Regeln, nach denen die Entschlüsselung der Organsprache funktionieren, lassen sich oft auch an der Alltagssprache ablesen. In dem Ausspruch, einer verärgerten Person sei »die Laus über die Leber gelaufen«, wird das Verhältnis zwischen dem Organ und seiner energetischen Verbindung zu Zorn und Ärger offenbar. Dass sich solches Wissen codiert in unserer Sprache verbirgt, zeigt, dass die Menschheit scheinbar schon viel länger um das Verhältnis zwischen Körper und Handeln, Denken, Fühlen weiß. Kein Wunder, war das Denken früher doch ganzheitlicher und magischer, geprägt von der Entsprechung zwischen Mikround Makrokosmos, bei dem sich alles bedingt und gegenseitig beeinflusst.

Der Beginn von allem ist jedoch immer dort zu finden, wo unser Leben selbst einst begonnen hat – im zündenden Funken der Zeugung, der reine Energie ist. Auf energetischer Ebene formen sich aus den ursprünglichen Impulsen die Grundlagen für die Entstehung materiellen Lebens; und auf dem gleichen Weg werden aus blockierenden Emotionen, die rein energetischer Natur sind, Symptome, die sich auf körperlicher Ebene manifestieren. Können wir etwas auf emotional-energetischer Ebene nicht verarbeiten, so entstehen Engpässe im Energiefluss, die über kurz oder lang außen sichtbar werden.

Tiefer schauen

Selbstverantwortung ist damit ein zentraler Aspekt der Heilung. Denken, Fühlen und Handeln sollten in Einklang miteinander und unserem innersten Seelenwirken stehen, wenn wir gesünder werden wollen. Die tiefsten Wünsche unseres Herzens wollen beachtet werden, sie geben die Richtung an, in die unsere Existenz Sinn macht – oder zumindest Freude. Am besten ist, wir folgen dem Ruf unseres Herzens jederzeit. Warum dieser Fokus in unserer Gesellschaft oft gering geschätzt wird, ist kaum verständlich und kann nur der zu großen Orientierung nach außen anzulasten sein. Doch weder Materielles noch Anerkennung geben dem Leben die spezielle nötige Energie, um wirklich glücklich zu sein und dem Ruf der uralten Stimme zu folgen, die den Menschen seit eh und je aus seiner Unwissenheit und Bewegungslosigkeit zu locken versucht.

Bewegung ist generell ein bedeutendes Element von Heilungsprozessen. Die (Weiter-)Bewegung durch die Zustände, die wir erfahren, und das Durchdringen der Dinge bis auf den Grund beugen der Anhaftung vor. Das Verharren, der Widerstand aus Angst sind womöglich die größten Fehler, die wir in der Praxis des täglichen Lebens machen. Es ist sogar gefährlich, wenn ein Zustand länger andauert und wir uns an die Situation gewöhnen. Der Therapeut und Gesundheitsphilosoph Ferenc Pósa, der den ungarischen Bestseller »Hinter die Symptome schauen« geschrieben hat, spricht hinsichtlich der Gewöhnung an bestimmte Beschwerden von einem »Krankheitsbewusstsein«. Der geistige Zustand, der eine Krankheit begleitet, wird so festgefahren, dass er eine Art Abhängigkeit in uns erzeugt. Die Krankheit bietet uns nämlich, ohne dass wir es erkennen, vor gewissen Schritten eine Scheinsicherheit. Häufig wird z.B. der Blick auf die eigenen wahren Gefühle bezüglich einer Situation oder Person unbewusst verweigert. Tief in uns schlummert in solchen Fällen nur allzu oft ein negatives Gefühl, das wir nicht spüren wollen, weil dies einfach schmerzhaft ist, noch viel tiefere Gefühle aufrüttelt oder uns zu Auseinandersetzungen zwingt, die wir vermeiden wollen.

Krankheitsbewusstsein

Um ein länger anhaltendes Bewusstsein, dass mit einem bestimmten Leiden gekoppelt ist, zu überwinden, ist die Erkenntnis und Bedeutung der eigenen Lage unerlässlich. Die Hilfe durch Medikamente, einen Arzt, einen Therapeuten, einen Heiler kann dabei immer eine Erleichterung sein, da sie neue Impulse und Energie in Form von Aufmerksamkeit liefert. Doch keine der Komponenten kann die Heilung selbst vollbringen. Das kann man nur selbst. Das Bekämpfen des Problems ist dabei Alternativmedizinern und Heilern nach der ungünstigste Ansatz. Kampf erzeugt immer Widerstand und Verluste (meist in Form von Energie). Dabei wollen wir doch auch von unserer Umwelt weniger Kampf und mehr Verständnis. Warum fangen wir dann nicht bei uns an? Wenn wir mit uns und unseren Gedanken und Gefühlen verständnisvoll umgehen, ihnen ein offenes Ohr schenken, anstatt gegen sie anzukämpfen, erreichen wir viel mehr. Dann erreichen wir im Grunde genau das, was wir wollen: Harmonie und Akzeptanz unseres gesamten Seins. Nur wenn wir damit bei uns beginnen, können sich diese Dinge manifestieren.

Neben der Durchdringung der Ist-Situation ist es Fernec Pósa zufolge sehr hilfreich, sich ein neues Ziel zu setzen, einen Punkt in der Zukunft, der uns dem Ruf der Seele näherbringt. Solch ein Ziel lässt sich leicht mittels der Freude ermitteln, die wir bei dem bloßen Gedanken daran empfinden. »Der einfachste Weg ist, wenn wir auf unsere wahren, ruhigen Gefühle achten, die von unserem Herzen kommen«, so Ferenc Pósa. Die Aufmerksamkeit kann sich damit von der Beschäftigung mit den Beschwerden wegbewegen und sich in einer positiven Vision verankern, die uns wie ein Abschleppwagen aus der festgefahrenen Situation herausholt. Je mehr Freude wir dabei verspüren, desto besser. Denn tatsächlich hat sich immer wieder
gezeigt, dass diese positive Energie Berge versetzen kann.

Erweitertes Bewusstsein

Den eigenen Träumen zu folgen ist für unser emotionales und damit für unser gesamtes Sein ein tieferes Bedürfnis, als wir meist glauben. Durch echte Herzensfreude verschiebt sich der Fokus unserer Sichtweise auf die Dinge. Die Energien können wieder ungehindert fließen, unser gesamtes Sein kann sich ausbreiten, Flügel bekommen und tief in den Raum hineinreichen, der unser Bewusstsein ist. Geistige Heiler setzen direkt auf dieser Ebene der Gefühle und des Bewusstseins an. Mittels ihres Wissens, wie Energien harmonisch miteinander fließen, versuchen sie, ihre Klienten auf Bewusstseinsebene mit diesem Wissen in Berührung zu bringen. Sind die Klienten offen für diese Energie, die durch den Heilenden auf sie einwirkt, so kann sich tiefgreifend etwas ändern.

Fernec Pósa warnt jedoch vor dem Irrtum, zu denken, wir könnten unser Bewusstsein verändern. Er erläutert, dass Bewusstsein nicht willentlich verändert werden könne, da Bewusstsein sich grundsätzlich nicht verändere. Wir können höchstens unseren Wahrnehmungsfokus weiter stellen und es durch unsere Aufmerksamkeit ganz mit Präsenz ausfüllen. Wir sind eben mehr als Ich, mehr als Ich und Du. Wir sind Schöpfer, meist unbewusst, ohne Ahnung. Da ist diese dritte Komponente fern unserer beiden miteinander ringenden inneren Stimmen: unser Bewusstsein. Es umhüllt unser ganzes Sein, flüstert manchmal leise, manchmal lauter oder zeigt uns in Form von Symbolen und Gefühlen, wer wir eigentlich sind, wer wir sein könnten. Es zeigt uns einen Weg ins Unbekannte, das uns zwar ängstigt, aber auch immer magisch anziehen wird. Mutig können wir uns vortasten in diesem weiten Raum, den unser Bewusstsein darstellt, es erkunden, es zurückerobern – denn das alles, was dort auf uns wartet, sind wir.

Ferenc Pósa
Ferenc Pósa, ist ein bekannter und anerkannter Autor und Gesundheitsphilosoph in Ungarn. In seiner Heimat sind zahlreiche erfolgreiche Bücher von ihm erschienen, er verfügt über mehrere Jahrzehnte Erfahrung als Therapeut und Seminarleiter.

Buch-TIPP
Ferenc Pósa
Hinter die Symptome schauen – Die seelischen Ursache
der Krankheiten

464 Seiten, € 24,95
ISBN: 978-3-86616-246-4
Verlag Via Nova