PowerFood für die Psyche

Jeder kennt die Binsenweisheiten „Voller Bauch studiert nicht gern“ oder „Du bist, was Du isst“, aber kaum einer macht sich Gedanken über den Hintergrund und die wahren Zusammenhänge zwischen unserer Ernährung und unserem seelischen Befinden. Dabei kann laut Andreas Ulmicher die richtige, auf Ihren Typ abgestimmte Ernährung durchaus helfen, Stress besser zu managen oder sogar einen Burnout zu kurieren.

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„Viele Menschen sind heute überreizt und aufgedreht“, sagt der auf Ernährung und Psychosomatik spezialisierte Heilpraktiker Andreas Ulmicher. „Sie können ohne ein Bier oder eine Tafel Schokolade gar nicht mehr abschalten. Andere wiederum erleben Schwankungen im Energiehaushalt. In einem Moment noch voll da, scheint es im nächsten Augenblick, als habe bei ihnen jemand den Stecker gezogen. Und es gibt Menschen, die bereits an ihre Grenzen gekommen, ausgebrannt sind und sich mit Aufputschmitteln lustlos, aber dennoch pflichtbewusst irgendwie durch den Tag quälen.“

Wer kennt das nicht in unserer von Hektik und Stress bestimmten Zeit? Aber muss es immer gleich Bier oder Schokolade sein? Ulmicher meint, dass auch „normale“ Nahrungsmittel den Zweck erfüllen, wenn wir sie richtig einsetzen: „Sie denken, dass man einer Tasse Kaffee einen anregenden Effekt zusprechen kann, nicht aber einemStück Rindfleisch? Dass Bier entspannt, nicht aber Amaranth-Müsli oder Obst? Dass Sie Schokolade brauchen, um einen Endorphin-Schub zu bekommen? Damit liegen Sie nicht so ganz richtig.“

„Die anregende Wirkung des Kaffees oder die entspannende des Feierabendbiers merken Sie sofort, binnen weniger Minuten“, erklärt Ulmicher, der früher mal selbst an Morbus Crohn litt und sich mit Hilfe der Ernährung heilte. „Die Wirkung von Müsli, Steak, Erdbeeren oder Nudeln nicht, jedenfalls nicht nach Minuten. Doch ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung versichern, dass Sie bei einer Ernährungsumstellung bereits nach wenigen Tagen Änderungen nicht nur in Ihrem körperlichen, sondern auch in Ihrem emotionalen und geistigen Befinden, in Ihrer Stimmung und Ihrem Energieniveau bemerken werden. Denn Körper und Geist beeinflussen sich wechselseitig.“

Nun hat Ulmicher zusammen mit dem begeisterten Hobby-Koch Armin Ginschel ein Buch geschrieben, das stressgeplagten und ausgelaugten Menschen helfen kann, mit Hilfe der Ernährung zu mehr Ausgeglichenheit zu gelangen. Der Titel „Powerfood für die Psyche“ ist Programm und das Werk spart nicht mit appetitlichen Rezepten, die von Ginschel individuell komponiert und liebevoll zusammengestellt wurden. Aber wie „funktioniert“ nun „Powerfood für die Psyche“?

Stress und „Metabolic Typing“
„Bei Stressbelastungen und deren Wirkung auf den Menschen gehen wir von drei Grundzuständen aus“, erklärt Ulmicher, „zwischen denen es allerdings fließende Übergänge gibt: einem Reizzustand, bei dem Stress permanent den Sympathikus (und die Nebennieren) stimuliert, sodass dieser gegenüber dem Erholungsnerv Parasympathikus dominant wird. Ferner gibt es einen Anpassungszustand, bei dem der Körper versucht, dem vernachlässigten Bereich der Erholung wieder Raum zu verschaffen. Dabei wechselt sich der Reizzustand mit dem Erholungszustand ab – allerdings nicht immer wie von der betroffenen Person geplant oder gewünscht. Dieser Zustand dürfte in der Praxis am häufigsten vorkommen. Dann gibt es noch den Erschöpfungszustand, bei dem der Parasympathikus aufgrund der totalen Erschöpfung des Stressnervs Sympathikus zwangsläufig dominant wird. Dieser Zustand geht oft mit Burnout-Syndrom, chronischem Erschöpfungssyndrom, Depression oder chronischer Krankheit einher.“

Tatsächlich kann man, an das aus den USA stammende „Metabolic Typing“ angelehnt, drei verschiedene Stresstypen unterscheiden, denen Ulmicher besondere Aufmerksamkeit schenkt: den Reiztyp, den Anpassungstyp und den Erschöpfungstyp. Natürlich braucht jeder Typ auch eine spezifische Ernährung, um in sein natürliches Gleichgewicht zu finden – es gibt also kein Patentrezept, keine Universaldiät, die für alle gleich geeignet wäre. „Ein Manager-Typ, der immer auf dem Sprung ist, immer aufgedreht und ständig bereit, mental die Eigernordwand zu erklimmen“, meint Ulmicher, „braucht etwas ganz anderes, um sein persönliches Gleichgewicht wiederherzustellen, als der depressive, treusorgende Familienvater mit Burnout-Syndrom.“ Aus diesem Grund machen uns die Autoren im Buch erst einmal mit den einzelnen Typen vertraut und bieten einen einfachen Test an, mit dem jeder schnell und zuverlässig herausfinden kann, zu welchem Typ er zählt.

Drei Stoffwechseltypen
Ständig aufgedreht, hyperaktiv, nervös, reizbar, hektisch, mitunter aggressiv und mit geringem Schlafbedürfnis flitzt der Reiztyp durchs Leben. Der klassische Manager ist nur ein Beispiel, aber eines, das den Typus sehr gut charakterisiert. Aggressives, energisches Auftreten sind zwar typisch, aber nicht zwangsläufig gegeben, es kann ebenso eine permanente innere Unruhe mit Aktionszwang bestehen. Der Reiztyp wird durch Stress so angeregt, dass er sich in einem dauerhaften Zustand der Sympathikus-Dominanz befindet.

„Der Reiztyp ist jemand, bei dem die Energie vom Körper nach außen geleitet wird“, erklärt Ulmicher, „zum Beispiel als Betriebsstoff in die willkürliche Muskulatur, in das Herz-Kreislauf-System, wo die Energie freigesetzt wird. Der Sympathikus ist dominant, daher ist durch fehlende Enzyme auch die Verdauungskraft schwach. Deshalb ist die ideale Ernährung für den Reiztyp eine vollwertige, leichtverdauliche Kost mit wenig Fleisch, die nicht viel Eiweiß und nur wenig Fett enthält und auch noch enzymreich ist. Enzyme und enzymanregende Stoffe sind wichtig, da der Organismus des Reiztyps von sich aus nicht allzu viel davon zur Verdauung bereitstellt. Pro Mahlzeit sollte der Eiweißanteil nicht mehr als maximal 20 Prozent ausmachen.“ Obst, Gemüse und Getreide eignen sich besonders für den Reiztyp, während rotes Fleisch, Alkohol und Zucker gemieden werden sollten.

Wechselhaftigkeit ist ein typisches Merkmal des Anpassungstyps. Eben noch gut drauf und aufgedreht, scheint er von einem Moment zum anderen abzuschlaffen. Anders als beim Reiztyp treten bei ihm Aggression und Dynamik oft hinter innerer Unruhe zurück und er frisst alles in sich hinein. Zwar kann auch er aggressiv und ungeduldig werden, aber er zeigt es nach außen nicht. Allerdings schwanken seine Stimmungen wie sein Energiehaushalt. Beim ihm ist der Sympathikus und damit die Energiefreisetzung des Körpers geschwächt, was sich in allgemeinem Unwohlsein, Schwankungen im Energiehaushalt oder Infektanfälligkeit zeigt. Starke Stressreize und gewisse Mahlzeiten putschen den Organismus für kurze Zeit auf, aber das höchstens für ein paar Stunden. Typisch sind schnelle Wechsel: Hektik und Aufgedrehtsein wechseln sich ab mit Müdigkeit und Erschöpfung, Grübeln und Kopflastigkeit mit Kopfleere und Blackouts, Denken an die Vergangenheit mit Denken an die Zukunft. Das lässt diesen Typ sprunghaft wirken, obwohl er deswegen nicht entscheidungsschwach ist.

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Die optimale Ernährung besteht für ihn laut Ulmicher aus rund 3-5 Prozent Fett, etwas über 25 Prozent Eiweiß und etwa 70 Prozent Kohlehydraten. Ulmicher empfiehlt dem Anpassungstyp wenig Milchprodukte, aber regelmäßig Fleisch und Fisch: „Sofern Sie kein Vegetarier sind, achten Sie darauf, zur Hauptmahlzeit immer eine Sorte Fleisch, Fisch oder Meeresfrüchte zu essen. Es mag unpopulär sein, eine Mahlzeit mit tierischem Eiweiß pro Tag zu empfehlen, doch für Ihren Typ hat dies Vorteile: Die Energiegewinnung wird verlangsamt, das Energieniveau wird dadurch ausgeglichener, der Heißhunger auf Süßes oder kalorienreiche Snacks nimmt ab.“ Weiter empfiehlt er Obst oder Getreide(produkte) nicht „solo“ zu verzehren und Kaffee zu meiden.

Der Erschöpfungstyp ist schon lange physischem oder psychischem Stress ausgesetzt. Dementsprechend ist sein Sympathikus bereits so erschöpft, dass selbst starke Reize den Organismus nur wenig beleben. Der Körper konzentriert sich darauf, sich möglichst viel Energie zurückzuholen und stellt deshalb nur wenig bis keine Energie für Aktivitäten zur Verfügung. Der Erschöpfungstyp reagiert nur noch auf stärkste Reize und quält sich ansonsten nur noch durch den Tag. Nichts kann ihn mehr aufregen, nichts ihn anregen. Er hat auf allen Ebenen resigniert. Sein Körper versucht, irgendwie Energie zu gewinnen. Seine Verdauung und sein Immunsystem sind aktiver als normal, Allergien und auch das Reizdarmsyndrom sind häufig. Da Blutdruck und Blutzucker fast immer auf niedrigem Niveau verharren, zählt mangelndes Konzentrations- und Denkvermögen zu den typischen Eigenschaften des Erschöpften. Aus Lethargie und Depression heraus kommt es gelegentlich zu emotionalen Ausbrüchen, meist Trauer. Dieser Typ ist fertig mit der Welt und möchte sich am liebsten auf eine einsame Insel zurückziehen und, anders als der Anpassungstyp, nie wieder zurückkehren.

„Im Gegensatz zu allen anderen Typen“, sagt Ulmicher, „benötigt dieser Typ eine relativ kohlehydratarme Ernährung. Dafür braucht er sehr viel Eiweiß. Besonders wichtig ist, dass die Energie sehr gleichmäßig und langsam zur Verfügung gestellt wird. Daneben sollte er auch auf hochwertige Fette achten, wobei neben den ungesättigten Fettsäuren auch die gesättigten eine besondere Rolle spielen.“ Der Erschöpfungstyp hat die volle Auswahl an eiweißliefernden Nahrungsmitteln, ist dafür jedoch eingeschränkt, was Kohlehydrate und Stärke angeht. Das trifft besonders auf Getreide und Obst zu. „Beim Würzen müssen Sie als Erschöpfungstyp einiges beachten“, erklärt Ulmicher. „Das betrifft auch den Umgang mit Salz. Salz ist nicht immer gefährlich und für manche Menschen, besonders Sportler, sogar notwendig. Von einem vermehrten Salzkonsum können Menschen mit Burnout oder Migräne eventuell sogar profitieren.“

Zahlreiche weitere Details und praktische Tipps für jeden Typ finden Sie in Ulmichers und Ginschels Buch. Und natürlich viele Rezepte, vom „Rührei mit Krabben“ oder „Überbackenem Durcheinander“ über Klassiker wie „Handkäse mit Äppelwoi“ oder „Bayrisch Kraut“ bis hin zu raffinierten Delikatessen wie „Lamm-Tajine mit Zucchini, Auberginen und Paprika“ oder „Pasta mit Pistazien-Pesto“. „Ich habe die Speisen so zusammengestellt“, erklärt Maestro Armin Ginschel, „dass sie sich mit kleinen Abwandlungen für alle Typen eignen. Sie finden also zu jedem Rezept Anregungen, wie Sie das Gericht für Ihren Typ ‚kompatibel‘ machen können.“ Da bleibt uns nur noch, Ihnen einen guten Appetit zu wünschen: Essen Sie sich gesund!

Weitere Infos unter:
www.iak-freiburg.de
www.frankfurter-ring.de

BUCH-TIPP
bt_ulmicher-ginschel01
Andreas Ulmicher & Armin Ginschel
Powerfood für die Psyche – So essen Sie richtig bei Stress und Burnout
297 Seiten, € 17,70
ISBN 978-3-930243-52-5
Omega Verlag