Hand und Fuß

Seit Jahrtausenden werden in den unterschiedlichsten Kulturen therapeutische Techniken angewandt, die Zusammenhänge zwischen bestimmten Hautzonen und innere Organen kennen. Durch gezielte und bewusste Anregung von Füssen, Hände oder Ohren können Schmerzen gelindert, klinische Diagnosen bestätigt oder etwaige Problemfelder des Behandelten entdeckt und harmonisiert werden. Auf Grund intensiever Forschung und langjähriger Praxis von Experten wurden die bisherigen Kenntnisse nun um einige sehr interessante und nützliche Entdeckungen erweitert.

hand-und-fuss01Im frühen zwanzigsten Jahrhundert schuf der amerikanische Hals-Nasen-Ohrenarzt William Fitzgerald die Grundlagen jener Behandlungsform, die heute weltweit als Reflexologie oder Reflexzonen-Massage angewandt wird. Er orientierte sich dabei bewusst an indianischen und asiatischen Traditionen, die den tiefen und holistischen Aspekt menschlichen Lebens mit all seinen Facetten kannten und in ihr medizinisches Fundament integrierten. Die neurologische Reflexverbindung und das analoge Grundprinzip des „wie oben, so unten“ boten seinerzeit genügend Referenzmaterial, mit dem Fitzgerald seine grundlegenden Schritte und Methoden erarbeiten konnte, die er erstmalig im Jahr 1917 in seinem Grundlagenwerk „Zone Therapy“ der Öffentlichkeit vorstellte. In diesem Buch formulierte er die Basis seiner Arbeit und lieferte ein Verständnis, das den menschlichen Körper in zwei mal fünf Längszonen einteilt, die von den Finger- bis zu den Zehenspitzen verlaufen. Das Besondere jener Zonen ist die Fähigkeit, dass in ihr liegende Organe oder Körperstellen von jeder anderen Stelle der gleichen Zone, besonders aber von Händen und Füßen, durch Massage erreicht und stimuliert werden können. Besonders die einprägsame und einfache Formenanalogie zwischen Fuß und sitzendem Menschen weist auf die therapeutisch erkennbaren Zusammenhänge zwischen dem Ganzen und dem Teil davon hin.

Nach ersten Erfolgen begann Fitzgerald mit seinem engsten Mitarbeiter George Starr White, Ärzte jeglicher Fachrichtung in seiner Methodik zu unterrichten und konnte somit das System verbreiten. Besonders wichtig für die methodische Effizienz und die anwenderfreundliche Weiterentwicklung seiner Ideen war die klinische Masseurin Eunice Ingham, die ab den 1930er Jahren nicht nur praktische und inhaltliche Verbesserungen in die Methode einbaute, sondern auch den Begriff Reflexologie einführte, der seitdem vor allen Dingen im angloamerikanischen Raum gebräuchlich ist. Ihr Buch „Stories the feet can tell“ wurde ein Bestseller in Amerika und Europa und ihre zahlreichen Seminarreisen quer durch die Vereinigten Staaten regten viele Nachahmer zu Eigen- und Fremdbehandlungen an und steigerten die Popularität der Methode maßgeblich.

Auf diesen Grundlagen entwickelte in Deutschland die ehemalige Krankenschwester Hanne Marquardt seit 1958, zuerst in eigener Praxis, ein Jahrzehnt später dann auch in ihrer eigenen Lehrstätte, die Methode als Therapeutikum stetig weiter. Im deutschsprachigen Raum ist fast jeder praktizierende Reflexologe einmal im Rahmen seiner Ausbildung oder Fortbildung mit Marquardt in Berührung kommen; ohne Zweifel wird sie zu Recht als das Urgestein in Sachen Fußreflextherapie in Deutschland angesehen.

Neben charismatischen Therapeuten bedurfte die Reflexologie aber auch einer wirklichen Behandlungseffizienz, um ihr zu entsprechendem Erfolg zu verhelfen. Die Möglichkeit, jene Massagen, die mittlerweile auch an den Ohren als „Aurikulotherapie“ angewendet werden, als differenzierte Behandlung einzusetzen, stellt nach vielen erfolgreichen Jahren eine sinnvolle Alternative zur oft überbetonten apparativen oder medikamentösen Patientenbehandlung dar; in einer großen Anzahl von Kliniken, Sanatorien und Praxen ist sie im Therapieangebot enthalten und wird auf ärztliche Verordnung ausgeführt. Die Reflexzonenmassage ist eine ganzheitliche Therapie, die die Durchblutung im gesamten Körperbereich anregt, wodurch die Organe intensiver arbeiten und sich Ablagerungen abbauen, die vom Blut aufgenommen und über die Nieren ausgeschieden werden. Aufgrund ihrer ganzheitlichen Ausrichtung steht bei der Reflexzonen-Massage selbstverständlich empathisches Verständnis und eine ebensolche Beratung im Zentrum jeder Behandlung. Neben jener bewussten Aufmerksamkeit, die den Behandelten zuteil wird, sind die enormen, von machen als Wunderwirkung beschriebenen Erfolgsberichte das Ergebnis der unermüdlichen Praktiker, die mittlerweile die Massagen der Füße, der Hände oder der Ohren so bekannt gemacht haben, dass heutzutage nur noch wenige behaupten würden, noch nichts von dieser positiven und sanften Form der medizinischen Behandlung gehört zu haben.

Verwechseln darf man die Reflexzonen- Methode allerdings nicht mit den so genannten Headschen Zonen, deren Entdecker Henry Head erkrankten Organen bestimmte schmerzempfindliche oder schmerzende Hautregionen zuwies. Ebenfalls nicht mit der Reflexologie verbunden werden sollte die Akupressur aus der Traditionellen Chinesischen Medizin, obwohl dies lange in fachfremden Kreisen angenommen wurde und selbst in Artikeln einiger Fachzeitschriften immer wieder gerne behauptet wird. (Stattdessen sind die Füße – im Gegensatz zur „Wissenswertschätzung“ des menschlichen Kopfes – mit dem Kontakt zu Mutter Erde und dem für den jeden Tag zu gehenden LebensWeg beschäftigt.) Butzbach erweitert die bestehenden Erkenntnisse zur Reflexologie durch jahrelange Arbeit und unermüdliches Ausprobieren nun durch weitere, zum Teil sensationelle Entdeckungen. Durch die eigene Praxis intensivierte sich sein Einblick in die energetischen Zusammenhänge, wie Butzbach eindrucksvoll in seinem Buch „Hand und Fuß – Quellen der Heilung“ zeigt. Vorneweg steht die Erkenntnis, dass Reflexverbindungen auch innerhalb des ursprünglichen Systems funktionieren, da eine Art mikroskopische Verästelung dieser Verbindungen sich durch den ganzen Körper zieht. Seit Langem ist bekannt, dass auch in inneren Organen, vor allen Dingen im Darmbereich, ein Großteil verschiedenster Erkrankungen seinen Ursprung hat und somit auch an jenen Stellen behandelt werden kann. Dass dies nun auch über die Reflexzonen an Fuß und Hand geschehen kann, ist eigentlich nur logisch, aber dennoch verdanken wir diese unschätzbar wichtige Erkenntnis Butzbachs langjährigem Forschungspraktikum.

Ebenso faszinierend ist die Entdeckung, dass über die Großzehe, die klassischerweise dem Kopfbereich des Menschen entspricht, der ganze Körper angeregt werden kann. Ganz einfach deshalb, weil ja auch im Gehirn sämtliche Körperstellen neurologisch veranlagt sind. Somit können diese dann auch über die entsprechenden Stellen am Großzeh aktiviert werden. Die Anordnung der Stellen ist im Vergleich zur klassischen Reflexologie allerdings eine andere, spielen doch Aufbau und Lage des Embryos in der Gebärmutter die dominierende Rolle bei der Widerspiegelung. Laut Butzbach können über die entsprechenden Darm- oder Großzehenpunkte häufig Bereiche angeregt oder geheilt werden, die bei den normalen Reflexpunkten nicht ansprechen. Neben diesen wichtigen Weiterentwicklungen plädiert Butzbach auch offensiv für die Ausbildung und den Einsatz von therapeutischen Laien wie Rentner, Hausfrauen oder Behinderte. Diese sollten weniger aus Interesse am finanziellen Gewinn durch die Massagen „belohnt“ werden, sondern durch die Steigerung der eigenen Wertschätzung – eine Anregung, die das momentane Gesundheitswesen erfrischend klar anregen könnte.

Ebenso klar und nachvollziehbar sind Butzbachs fast schon revolutionär zu nennende Empfehlungen, Reflexzonenmassagen auch bei Schwangeren anzuwenden, die klassischerweise bis dato als „unantastbar“ galten. Natürlich müssen Gebärmutter und Eierstöcke ausgespart werden (was übrigens auch bei starken monatlichen Blutungen getan werden sollte, um eine noch stärkere Anregung zu verhindern), um vorzeitige Wehen zu verhindern, so Butzbach, aber auftretende Übelkeit, Unwohlsein, Verkrampfungen oder Nervosität, die mit der Schwangerschaft in Verbindung stehen, können besonders über die Bereiche im Enddarm aufgehoben werden. Butzbachs entwaffnend logisches Verständnis diesbezüglich hilft, sich seinen Ideen und Vorstellungen anzuvertrauen: „Wenn man mit der Fußreflexzonenmassage die Möglichkeit hat, einen Körper so zu stimulieren, dass er eine Befruchtung annimmt, kann eine weitere Behandlung über die Zeit der Schwangerschaft niemals einen Schaden auslösen, sondern nur von Nutzen sein.“ Ganz grundlegend und praktisch äußert sich Butzbach auch zum angewandten Druck der Finger, der bei der Massage gegeben wird: „Da unsere Nerven bereits auf die leichtesten Berührungen reagieren, vermeide ich bei meinen Massagen jeglichen Druck.“

Mit jenen neuen Formulierungen und Erkenntnissen hat Butzbach die Reflexologie um einige wichtige Punkte erweitert und den respektvollen und ganzheitlichen Ansatz seiner berühmten Vorgänger und Vorgängerinnen sinnvoll ausgebaut. Der Widerschein, so die deutsche Übersetzung des lateinischen Wortes Reflex, ist in einer ganzheitlichen Welt, die analoge Beziehungsebenen kennt und nutzt, nicht nur nicht wegzudenken, sondern allgegenwärtig – an Hand und Fuß können damit überaus praktische und heilsame Erfahrungen gemacht werden.

BUCH-TIPP
Butzbach, Friedrich
Hand und Fuß – Quellen der Heilung
136 Seiten, € 15,90
ISBN: 978-3-86616-138-2
Via Nova