Mitgefühl, Marathon-Muskeln und jede Menge Grünzeug

»Milch macht müde Männer munter« und »Fleisch ist ein Stück Lebenskraft«, jeder kennt diese Slogans und die meisten von uns haben sie zumindest in ihrer Kindheit und Jugend geglaubt. Wer Sport treibt oder andere körperlichen Leistungen erbringen muss, braucht tierisches Eiweiß – so wurde es uns nicht nur von der entsprechenden Industrie versichert, sondern auch von Ärzten und Trainern. Selbst heute noch, nachdem Vegetarier und auch Veganer weit weniger exotisch wirken als noch vor ein paar Jahren, hält sich dieses Gerücht hartnäckig. Und wie bei vielen Dingen kann man hier reden und reden und ein Argument nach dem anderen ins Feld führen, oder aber man ist selbst ein Beispiel dafür, dass es auch ganz anders geht, und leistet so weitaus nachhaltigere Überzeugungsarbeit.

hnv-griesmeier-50-52.indd.inddMichael Griesmeier ist so ein Beispiel. Seine sportlichen Leistungen sind, gelinde gesagt, erstaunlich, seine körperliche Verfassung beeindruckend. Und das Beste daran: Tote Tiere kommen ihm nicht auf den Teller! Wodurch seine Leistungen nicht abnahmen, sondern sich im Gegenteil weiter steigerten und ihm immer leichter fielen!

Doch beginnen wir am Anfang seiner Geschichte. Michael hat sich nicht immer so ernährt, wie er es heute tut. Wie die meisten von uns, hat er die meiste Zeit seines Lebens das konsumiert, was die Gesellschaft ihm vorgelebt und die Werbung ihm empfohlen hat: Fleisch, Wurst, Milch, Eier. »Grünzeug« war für ihn eher farbige Dekoration seines eigentlichen Essens.

Sehr früh hat er mit dem Sport begonnen. Als eher schwächliches Kind, dem auch mal übel zugesetzt wurde, war es ihm ein Bedürfnis, sich selbst verteidigen zu können, und er wollte vor allem auch in der Lage sein, anderen zu helfen. Das Boxtraining gibt er jedoch bald wieder auf, weil er nicht zum Spaß jemandem auf die Nase hauen will. Doch das Fitnesstraining, das er neben dem Boxen betreibt, bleibt und begleitet ihn bis heute.

Eisen stemmen, schwitzen, sich schinden, über Grenzen gehen. Sein starker Wille führt ihn zu Erfolgen bei Bodybuilding-Meisterschaften, doch weder befriedigt ihn das wirklich, noch hat er Lust, sich mit Anabolika künstlich und gesundheitsschädlich »aufzupumpen«, um dieses Spiel weiter mitzuspielen.

Er beginnt zu laufen und hört – fast wie Forrest Gump – einfach nicht mehr damit auf. Marathon, Ultra-Marathon … und da sein Beschützer-Instinkt, der sich schon in seiner Kindheit zeigte und auch weiterhin da ist, widmet er seine extremen Läufe jeweils einem guten Zweck und sammelt Spenden.

Ein Film verändert alles

Und dann sieht er sich eines Abends den Film »Home« von dem französischen Fotografen und Journalisten Yann Arthus-Bertrand an. Die wunderschönen Bilder unserer Welt und die Fakten darüber, was diese Schönheit bedroht, lassen ihn betroffen zurück. Doch anders als die meisten Menschen, die solche Filme sehen, für ein paar Tage gute Vorsätze treffen, um dann wieder in den alten und bekannten Trott zurückzufallen, ändert sich bei Michael Griesmeier wirklich etwas.

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»Am nächsten Tag verkaufte ich mein Auto, aß weder Fleisch noch Fisch, trank ausschließlich Leitungswasser, wusch meine Sachen mit Waschnüssen ohne Weichspüler und Vollwaschmittel, verwendete zur Körperpflege kein Duschgel mehr, sondern nur Seife, und überlegte bei jeder Anschaffung zweimal, ob ich sie wirklich brauchte«, sagt er selbst. »Dieser Film veränderte mein Leben und dafür bin ich unglaublich dankbar. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, als könnte ich wirklich sehen. Ich sah die Zusammenhänge, ich sah meine Beteiligung an vielen Aspekten der Misere und ich sah auch, wie ich meiner Verantwortung als Mensch besser gerecht werden konnte. Für mich als Vater stellte sich die Frage, ob ich meinen Kindern wirklich solch eine Welt hinterlassen möchte, in der die natürliche Umwelt größtenteils zerstört ist, und in der andere Kinder verhungern, weil mir mein tägliches Schnitzel so wichtig ist … Kann ich diesen Wahnsinn, der nicht zuletzt durch mein ganz persönliches Essverhalten mitgetragen wird, zulassen, obwohl es Alternativen gibt?«

Seine tiefe Überzeugung, dass es der Wille ist, der entscheidet, dass mentale Kraft uns dorthin bringt, wohin wir wollen, hilft ihm auch hier. Er stellt sein Leben um, weil er es will. Weil er erkannt hat, dass es Alternativen zu seinem bisherigen Lebensstil gibt.

Für seine sportliche Karriere hat dies auch Konsequenzen: Vieles fällt leichter, weil der Körper pflanzliches Protein leichter verdaut als tierisches Protein. So kann Michael seine Leistungen noch einmal steigern. Darüber hinaus nutzt er nun seine medienwirksamen Auftritte, um Aufmerksamkeit auf das viele unnötige Tierleid zu lenken.

Veganer Weltrekord

Sechs Stunden lang Treppen hoch und wieder herunter laufen und dabei einen 30-Kilo-Rucksack auf den Schultern tragen? Auf so eine Idee muss man erst einmal kommen! Sie dann in die Tat umzusetzen, ist noch eine ganz andere Sache. Nach einigen weiteren Langstreckenläufen mit veganer Ernährung organisiert Michael diesen ersten veganen Weltrekordversuch gemeinsam mit der Albert-Schweitzer-Stiftung. Sein Erfolg zeigt: Tofu und Gemüse machen müde Männer munter!
Natürlich sind solche Leistungen nicht jedermanns Sache, doch will Michael Griesmeier auch nicht dazu ermutigen, seinen Weltrekord zu wiederholen, sondern dazu, sich selbst, ganz praktisch im Alltag herauszufordern:

»Wenn man irgendwann wirklich bereit dazu ist, seine gewohnte Komfortzone zu verlassen, entdeckt man, wie viel unglaubliches Potenzial in einem selbst steckt. In solchen Momenten lernt man sich auf eine wunderbar motivierende Art und Weise neu kennen.«

Das ist es, was er jedem Menschen zutraut und wozu er unermüdlich ermutigt: die eigene Veränderung, die so viel Positives nach sich ziehen kann – für die eigene Gesundheit und Leistungsfähigkeit, für die Tiere und für den Erhalt unserer Umwelt.

Einfachheit als Devise

»Allet janz einfach«, sagt Michael in seinem unnachahmlichen Berliner Dialekt. Kalorienzählen und ausgefuchste Ernährung rungspläne sind nicht seine Sache. Wer auf seinen Körper hört und dabei sein Mitgefühl nicht an der Supermarktkasse abgegeben hat, ernährt sich seiner Meinung nach gut und richtig.

Das macht ihn so sympathisch. Er ist kein verbissener Ankläger, sondern jemand, der einen tierleidfreien Lebensstil vorlebt, ohne dabei andere zu verurteilen. Dogmatismus ist ihm völlig fremd. Zu Besuch bei mir, isst er auch ein paar Kekse, die – wie ich zugeben muss – ein bisschen Butter enthalten. (Meine Familie kommt aus Schlesien und bei uns gibt es nichts ohne Butter!)

»Ich mag diese Schubladen einfach nicht. Sie grenzen andere aus, sie verhindern Entwicklung, statt sie zu fördern. Ich bin ich und du bist du. Jeder tut sein Bestes, so wie er kann und will, mit all den möglichen Konsequenzen. Sich informieren, Dinge ausprobieren, Alternativen entdecken und anders als bisher handeln, das kann jeder, ohne sich zu überfordern«, so Michael.

Drei Faktoren

Einfach anfangen, Dinge zu verändern – dazu möchte er inspirieren und stellt dazu drei entscheidende Faktoren in den Raum, die seiner Meinung nach zu einem gesunden, glücklichen und vitalen Leben gehören: gute Ernährung, ausreichend Bewegung und geistige Flexibilität.

Eine gute Ernährung ist für Michael pflanzlich und abwechslungsreich. Getreidesorten wie Quinoa oder Amaranth, dazu Bohnen, Reis, Nudeln, viel Gemüse und Obst, Nüsse – alles nach Geschmack und wie der Körper es braucht. »Einen typischen Ernährungstag gibt es bei mir nicht, weil ich darauf höre, was mein Körper gerade braucht«, sagt Michael. »Was ich esse, hängt von saisonaler Verfügbarkeit der Zutaten, meiner inneren Stimme, meinem sportlichen Ziel usw. ab. Wer sich abwechslungsreich und vernünftig ernährt, wird garantiert keine Mangelerscheinungen bekommen.«

Zur guten Ernährung kommt Bewegung hinzu. Michael ist davon überzeugt, dass wir dafür gemacht sind, zu laufen, zu rennen, zu springen. Doch leider sieht unser Alltag meist anders aus – mit oft verheerenden Folgen für unsere Gesundheit. »Stell dir eine Gazelle vor, die man den Rest ihres Lebens an einen Bürostuhl fesselt – mit dem Unterschied, dass wir uns freiwillig fesseln lassen.«

Also: das Auto stehen lassen, das Fahrrad nehmen, zu Fuß gehen, auf den Aufzug verzichten, joggen, walken oder schwimmen und einfache Übungen wie Liegestütze und Kniebeugen durchführen. Jeder Körper kann sich verändern, in jedem schlummert unentdecktes Potenzial. Es muss nicht gleich ein Ultra-Marathon sein, aber heute vielleicht zwei Kilometer und in ein paar Wochen dann vier … Und irgendwann – man wird sehen … und sich vielleicht selbst überraschen!

Als letzte Komponente kommt der Geist hinzu, die mentale Stärke, mit der sich alle Ziele erreichen lassen. Achtsamkeit, Autosuggestion und nicht zuletzt die bewusste Wahrnehmung des inneren Kindes, das unsere authentischen Bedürfnisse nach Freiheit, Selbsterfahrung, Liebe und Spaß vertritt.

»Wenn wir unser inneres Kind nicht länger verleugnen, ihm aufmerksam zuhören und dann unseren Willen einsetzen, um diesen Wunsch nach Freiheit und Liebe in die Tat umzusetzen, können wir wirklich etwas Neues schaffen! Verleugnen wir weiter unser inneres Kind, verleugnen wir unser wahres Ich. Leben wir es, ändern wir unsere Welt! Ich denke, damit folgen wir unseren wirklichen Gefühlen, anstatt irgendwelchen gesellschaftlichen, medienkonstruierten, konsumorientierten oder traditionellen Vorgaben des gesellschaftlichen Mainstreams unser Vertrauen zu schenken. So lernen wir, wirklich Verantwortung für uns und unser Leben zu übernehmen, unseren Talenten Ausdruck zu verleihen und wahrhaft glücklich zu werden.«

Sind alle drei Faktoren im Gleichgewicht, stehen uns alle Türen offen. Wir können uns selbst verändern, mit gutem Beispiel vorangehen, in die Gesellschaft hineinwirken und langsam, aber sicher, die Lebenssituation für alle – Menschen und Tiere – verbessern.

»Wir Menschen haben die Pflicht, verantwortungsvoll und äußerst achtsam mit Mutter Erde umzugehen. Lernen wir wieder, ein Teil des wunderbaren Ganzen zu werden«, sagt er und läuft – allein mit Pflanzenkraft – immer weiter …

Buchtipp
Michael Griesmeier
Der Wille entscheidet!
181 Seiten, 17,90 €
ISBN: 978-3-86264-333-2
Hans Nietsch Verlag