Lebenselixier Wasser

Wasser ist einer der am häufigsten vorkommenden Stoffe in unserer Welt. Ob in Form von Wolken, Niederschlägen, Gewässern, Ozeanen oder als das Eis der Polkappen – kaum eine Substanz ist uns so vertraut und doch so fremd. Denn Wasser ist in vielerlei Hinsicht ein anomaler Stoff mit geheimnisvollen Eigenschaften, die bislang nur zum Teil erklärt werden können. Dabei ist das Verständnis des »nassen Elements« gerade für uns Menschen von besonderer Bedeutung, denn wie alle anderen Lebewesen auf dieser Erde bestehen auch wir zum größten Teil aus Wasser.

»Die Erde war wüst und leer, Finsternis lag über der Urflut und der Geist schwebte über den Wassern«, erzählt die biblische Schöpfungsgeschichte gleich zu Beginn der »Genesis«, noch bevor Gott hinzutritt und sein »Es werde Licht!« spricht. Wasser ist hier also neben der festen Materie, der Erde, eine der beiden Ursubstanzen der Schöpfung – etwas, das man auch in zahlreichen anderen Kosmologien in aller Welt wiederfindet.

Neuere Erkenntnisse aus der Radioastronomie zeigen, dass diese mythologischen Vorstellungen gar nicht so abwegig sind: Forscher entdeckten beim Blick durch ihre Teleskope auf verschiedene Sternentstehungsgebiete, dass die dichten planetaren Nebel, in deren Zentren später bei größerer Verdichtung neue Sonnen aufstrahlen, nicht nur elementare Gase und Materiepartikel vorhanden sind, sondern auch gewaltige Wolken gasförmigen Wassers.

In der Geschichte unseres Sonnensystems, da sind sich die Forscher sicher, kondensierte der Großteil dieses Wasserdampfes jenseits der zwischen Mars und Jupiter gelegenen »Schneegrenze« und wurde von den »Eisriesen« Uranus und Neptun sowie von kleineren Eisplaneten wie Pluto oder Eris aufgesammelt. Nicht zu vergessen die zahllosen anderen transneptunischen Objekte und Kometen, die den Kuipergürtel und die Oortsche Wolke am Rande unseres Sonnensystems bilden. Hier ist ein Großteil des Wassers in »schmutzigen Schneebällen« gebunden, eben jenen Kometen, die von Zeit zu Zeit ihren Weg ins Innere des Sonnensystems finden und dann bei Annäherung an unseren Zentralstern zu leuchten bzw. zu verdampfen beginnen und ihren charakteristischen Schweif aus Materiepartikeln und Wasserdampf hinter sich ziehen.

Wir steigen in denselben Fluss und tun es dennoch nicht.
Es ist nicht möglich, zweimal in denselben Fluss zu steigen.
Heraklit (520–460 v. Chr.)

Solche Kometen waren es wohl auch, die in der Frühzeit der Entstehungsgeschichte die Mengen H2O auf die damals noch heißglühende Erde brachten, die heute unsere Weltmeere und Gewässer füllen. Das ist zumindest der Erklärungsversuch der Forscher, die sich sonst nicht vorstellen können, woher das ganze Wasser auf der Erde stammt. Magmatische Prozesse im Erdinneren liefern zwar ebenfalls Wasser, das durch vulkanische Eruptionen in Form von Wasserdampf in die Atmosphäre gelangt, jedoch nicht in solchen Mengen, die das Wasservorkommen auf unserem Planeten zufriedenstellend erklären könnten.

Heute bedecken Ozeane, Meere, Flüsse, Seen, Gletscher und Polkappen über 70 Prozent der Erdoberfläche und machen unsere Welt zum »blauen Planeten« und zur einzigartigen Oase des Lebens im Sonnensystem. Denn die kosmische Ursubstanz Wasser ist untrennbar mit dem Leben verbunden, von seiner Entstehung über seine Evolution bis hin zu allen lebenden Organismen, die wir heute kennen. Doch um dies wirklich zu verstehen, müssen wir uns erst einmal den seltsamen Eigenschaften des Wassers zuwenden, die es zu etwas so Besonderem machen.

Wasser: die »anomale« Substanz

Wasser besteht aus Molekülen, die aus je zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom bestehen. Durch die unterschiedliche Ladung von Sauerstoff und Wasserstoff ist das Wassermolekül eine polare Substanz mit einer hohen Lösungsfähigkeit für andere polare Stoffe wie etwa Mineralsalze oder Gase. Daraus resultiert zum einen die reinigende Kraft des Wassers und zum anderen seine Eigenschaft, als Träger für Nährstoffe und Spurenelemente zu dienen – etwas, worauf wir später noch im Zusammenhang von Wasser und Leben zurückkommen werden.

Weitere Eigenschaften und »Anomalien« des Wassers:
Neben seiner hohen Lösungsfähigkeit, seiner Dichteanomalie und Wärme
speicherkapazität besitzt Wasser eine Vielzahl weiterer ungewöhnlicher Eigenschaften. Wussten Sie zum Beispiel, dass Wasser …

  • die einzige chemische Verbindung auf der Erde ist, die in der Natur in allen
    drei Aggregatzuständen, also als Flüssigkeit (Wasser), als Festkörper (Eis) und als Gas (Wasserdampf) vorkommt? Im Phasendiagramm weist es zudem mehr feste Modifikationen auf als jeder andere bekannte Stoff. Neben flüssigem Wasser und Wasserdampf kennt man inzwischen 16 kristalline und 5 amorphe Formen von Eis;
  • die größte Oberflächenspannung aller flüssigen Verbindungen besitzt, so dass die Tröpfchenbildung erleichtert wird oder Insekten über das Wasser laufen können? Man nimmt an, dass diese Eigenschaft auch bei der Entstehung der ersten lebenden Zellen von entscheidender Bedeutung war;
  • die größte spezifische Verdampfungsenthalpie aller Flüssigkeiten aufweist, was u. a. den kühlenden Effekt beim Schwitzen bewirkt? Dieser Effekt ist bei Wasser sogar dreimal stärker als bei Methanol;
  • aufgrund seiner amphoteren Eigenschaften sowohl als Säure als auch als Base reagieren kann? Gegenüber Basen verhält es sich wie eine Säure und gegenüber Säuren wie eine Base. Chemisch reines Wasser, das in der Natur gar nicht vorkommt, hat zwar einen pH-Wert von 7, doch sobald es mit Luft in Berührung kommt, pendelt sich sein pH-Wert wegen der Lösung von CO2 schnell auf Werte zwischen 4,5 bis 5 ein. Wasser, in dem bereits Salze gelöst sind, ist aufgrund deren Pufferwirkung allerdings unempfindlicher und weist einen stabileren pH-Wert auf;
  • im Vergleich zu ähnlichen Verbindungen wie z. B. Schwefelwasserstoff einen relativ hohen Schmelz- und Siedepunkt hat? Nimmt man, wie sonst die Regel, die molare Masse als Maßstab, sollte Wasser einen Schmelzpunkt von etwa −100°C und einen Siedepunkt von −80°C besitzen und bei Zimmertemperatur als Gas vorliegen. Zudem setzt ein erhöhter Druck den Schmelzpunkt von Wasser herab, statt ihn – wie bei den meisten anderen Substanzen – heraufzusetzen.

Weil Wassermoleküle Dipole sind, besitzen sie ausgeprägte zwischenmolekulare Anziehungskräfte und lagern sich durch Wasserstoffbrücken zu sogenannten Clustern zusammen. Dabei handelt es sich um unbeständige, lose Verkettungen. Diese Bindung über Wasserstoffbrücken besteht nur für einen Bruchteil von Sekunden, wonach sich die einzelnen Moleküle wieder aus dem Verbund lösen und sich ebenso schnell wieder mit anderen Wassermolekülen verbinden. »Es ist gerade so«, kommentiert dies der Biologe Lyall Watson, »als erinnerte sich das flüssige Wasser an das Eis, aus dem es entstanden ist, als repetierte es die Formel immer und immer wieder – jederzeit bereit, sich zurückzuverwandeln.« Dieser sich ständig wiederholende Vorgang ist auch die Ursache für einige der geheimnisvollen Eigenschaften des Wassers.

Eine der bekanntesten Anomalien des Wassers ist die sogenannte Dichteanomalie: Anders als die meisten chemischen Verbindungen oder Elemente hat es im festen Zustand eine geringere Dichte als im flüssigen: Wasser hat bei etwa 4°C die höchste Dichte und verliert beim Abkühlen unter diese Temperatur kontinuierlich und beim Gefrieren sogar sprunghaft an Dichte, so dass Eis auf Wasser schwimmt. Dabei nimmt sein Volumen deutlich zu – ein Effekt, der unter anderem dazu führt, dass Flaschen, in denen Wasser gefriert, platzen oder Felsen durch gefrierendes Wasser nach und nach zertrümmert werden.

Diese Anomalie mag zunächst wenig spektakulär erscheinen, doch wenn man genauer hinsieht, wird klar, dass eine Entwicklung des Lebens ohne sie nur schwer vorstellbar gewesen wäre: Wenn Eis dichter als flüssiges Wasser wäre, würde es bei Frost an den Grund der jeweiligen Gewässer sinken, so dass diese dann von unten nach oben und somit vollständig zufrieren würden. In den vergangenen Eiszeiten hätte dies selbst in den größten Ozeanen zu globalen Katastrophen und vermutlich zum Aussterben allen Lebens geführt.
Parallel hierzu besitzt Wasser eine weitere anomale Eigenschaft: Es verfügt über die höchste Wärmekapazität aller bekannten Flüssigkeiten, das heißt, dass Wasser im Vergleich zu anderen Stoffen ausgesprochen viel Energie aufnehmen kann, ohne dass sich die Temperatur dabei deutlich erhöht. Im Vergleich zu Kupfer kann Wasser etwa 11-mal mehr und im Vergleich zu Blei sogar 32-mal mehr Wärmeenergie speichern; Energie, die beim Abkühlen wieder freigesetzt wird. Dies bewirkt unter anderem, dass Ozeane und große Gewässer hervorragende Wärmespeicher sind und gewaltige Meeresströmungen wie der bekannte Golfstrom Energie aus tropischen Breiten bis in die Polarregionen transportieren. Ohne diesen Effekt wäre ganz Nordeuropa wesentlich kälter und
unwirtlicher.

Erst langsam beginnt man zu begreifen, welch große Bedeutung solche Strömungen für das globale Klimasystem haben – ganz zu schweigen von der Bedeutung für die Entstehung und Evolution des Lebens in den Ozeanen. Ohne die ungewöhnlich hohe Energiespeicherfähigkeit des Wassers hätte sich in einer kalten Wasserwelt wohl kaum die Vielfalt gebildet, die wir heute kennen und der wir unsere eigene Existenz verdanken.

Das Wasser des Lebens

Vermutlich ist das Leben vor etwa 3,8 Milliarden Jahren in den Tiefen des Ozeans entstanden. Beweisen lässt sich dies nicht, doch es gibt zahlreiche Hinweise, die darauf schließen lassen. Einer davon ist, dass Leben ohne Wasser undenkbar ist: Alle bekannten Lebewesen – von den Einzellern bis hin zum komplexen Organismus – bestehen zu einem Großteil aus Wasser und nahezu alle grundlegenden Stoffwechselvorgänge nutzen H2O als Ausgangstoff. Weder der bekannte Zitronensäurezyklus, die Glykolyse, noch der Harnstoffzyklus wären ohne das Elixier des Lebens denkbar. Pflanzen erzeugen mithilfe von Licht aus H2O und CO2 komplexe Kohlenstoffverbindungen und Sauerstoff: Die Schöpfung neuer Biomasse durch Fotosynthese, auf der indirekt auch alles tierische Leben beruht, wäre also ohne den Grundstoff Wasser ebenfalls unmöglich.

Außerdem bildet Wasser in allen bekannten Lebensformen das grundlegende Medium des Lebens und dient der Aufrechterhaltung des osmotischen Drucks in den Zellen sowie als Transportmittel für Nährstoffe, Abbauprodukte, Botenstoffe sowie von Wärme innerhalb von Zellen und Organismen. Die bereits erwähnte hohe Lösungsfähigkeit des Wassers kommt dem Leben dabei ebenso zugute wie seine hohe Wärmekapazität, die vor allem für uns warmblütige Wesen von lebenswichtiger Bedeutung ist. Und wenn uns mal zu heiß wird, verhilft uns die Verdunstungskälte des Wassers beim Schwitzen unserem Körper, zurück zu einer stabilen Körpertemperatur zu finden. Wasser erweist sich wieder und wieder als Wundermittel, ob im Stoffwechsel oder bei der Wärmeregulation.

Was für einzelne Lebewesen gilt, gilt genauso für Ökosysteme: Auch hier ist es stets das Wasser, das über ihre Vitalität und Produktivität bestimmt. Maritime Biotope beherbergen vergleichsweise mehr Leben als alle anderen Lebensgemeinschaften und erzeugen auch viel mehr Biomasse als z.B. ein Regenwald oder gar eine Wüste. Wo Wasser ist, ist auch Leben.

Mehr zum Thema in newsage 4/2012
In der newsage-Ausgabe 4/2012 erwarten Sie zahlreiche Beiträge zum Thema »Wasser«:

  • Das flüssige Heilmittel: Heilige Quellen und lebendiges Wasser
  • Mit NASA-Technik zu gesundem Wasser
  • Ein Erfinder macht Wirbel: Innovative Wassertechnologie

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Tatsächlich ist es so, dass die Lebewesen unserer Welt das Wasser und seine Eigenschaften ausgesprochen effektiv und intelligent nutzen – nicht nur im Sinne grundlegender vitaler Stoffwechselfunktionen, sondern auch weit darüber hinaus. So nutzen etwa Wale und Delfine die Temperaturabhängigkeit der Wasserdichte als Hilfsmittel zur Kommunikation. Alle Ozeane verfügen über klar abgegrenzte Wasserschichten, an deren Grenzen der Schall der Walgesänge reflektiert und gebündelt und so über Hunderte von Kilometern weitergeleitet wird. Wale führen also echte Ferngespräche, nur mit der Hilfe des Wassers.

Manche Fische und Meeresschildkröten gehen sogar noch weiter und nutzen das Wasser offenbar als Träger von Information – ein in wissenschaftlichen Kreisen immer noch umstrittenes Thema, obschon uns Aale oder Lachse ganz klar zeigen, dass sie durchaus die Fähigkeit haben, mithilfe Ihres Geruchssinns über Tausende Kilometern Entfernung hinweg den Weg durch den Ozean zu ihrem Heimatfluss zurückzufinden, in dem sie vor Jahren aus dem Laich geschlüpft sind. Die Frage ist jedoch nach wie vor, wie diese Fische das genau anstellen.

Klar ist, dass Lachse und Aale ihrer ausgesprochen guten Nase folgen, da Lachse, denen im Feldversuch das Riechorgan verstopft wurde, völlig orientierungslos herumschwammen, während die Tiere der Kontrollgruppe zielstrebig die Flüsse hinaufschwammen, bis hinein in den kleinen Seitenarm des Flusses, aus dem sie ursprünglich stammten. Unklar ist zum einen, an welchen Gerüchen die Fische »ihren« Fluss erkennen, und zum anderen, wie diese Geruchstoffe in geradezu homöopatischer Verdünnung noch von den Tieren erkannt werden können.

So können zum Beispiel Aale, wie in einem Experiment der Universität Gießen bereits vor Jahrzehnten gezeigt wurde, extrem verdünnte Duftstoffe ganz klar wahrnehmen und zu ihrer Quelle zurückverfolgen – bis hin zu einer Verdünnung eines Fingerhuts voll Rosenwasser, da man mit der 58-fachen Wassermenge des Bodensees vermischt! Eine geradezu unglaubliche Leistung, die die Frage aufwirft, ob die Fische tatsächlich den ultraverdünnten und damit physisch so gut wie nicht mehr vorhandenen Duftstoffen folgen oder einer Signatur des Wassers, das die Information des Rosenwassers beziehungsweise des Heimatflusses in sich aufgenommen hat.

Forscher wie Masuro Emoto sind schon lange auf den Spuren des »informierten Wassers«, und es wäre nach allem, was wir bislang über das Wasser gelernt haben, wenig verwunderlich, wenn diese Ursubstanz des Lebens neben Wärmeenergie nicht auch große Mengen Information im Gedächtnis seiner lebendigen Cluster speichern könnte. Mit diesen und weiteren Geheimnissen des Wassers befasst sich ein weiter Artikel aus newsage.