Segnen – Gutes säen, Gutes ernten

Das erste, was Gott tat, nachdem er Mann und Frau geschaffen hatte, war sie zu segnen. So hat die Handlung des Segnens in allen Kulturen und Religionen eine große Bedeutung, sie ist Jahrtausende alt. Unser altes Testament enthält eine Fülle von Segnungen … aber auch fast ebenso vielen Verfluchungen. Vielleicht deshalb entdeckt man in allen großen religiösen Traditionen ebenfalls die Grundidee des Spruchs „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu“.

Dass das aktive und bewusste Segnen eine große Bereicherung und Hilfe auf dem spirituellen Weg sein kann, zeigt Pierre Pradervand in seinem Buch „Segnen heilt“. Für den Schweizer Soziologen begann alles damit, dass ihm nach einer längeren Zeit des Ärgers über eine Ungerechtigkeit in seinem Leben die Bergpredigt von Jesus eine völlig neue Sichtweise eröffnete. Die Worte „Segnet die euch fluchen“ öffneten ihm die Augen. Von da an begann er, wann immer er konnte, alle und alles zu segnen – aktiv und bewusst, Freunde wie Feinde, gute und schlechte Stunden.

Das bewusste Aussenden von positiven Gedanken und wohlgemeinten Wünschen veränderte sein Leben von Grund auf. Nicht nur konnte er die Welt um sich herum und die Menschen, denen er begegnete, in völlig neuem Licht sehen, die Segnungen, die er aussandte, schienen auch zu ihm zurückzukehren. Doch auf eben diese Weise funktioniert das Gesetz der Resonanz. Trotzdem kann man das Segnen nicht direkt mit dem positiven Denken oder wunschfixierten Steuern seiner Gedanken vergleichen. Das Segnen impliziert ein erwartungsloses Geben, eine Gewissheit, dass aus einem inneren Reichtum unendlich geschöpft werden kann, was anderen zugute kommt. Es impliziert eine Achtung und unvoreingenommene Haltung gegenüber jedem Menschen, ein Handeln aus dem Gefühl wahrer Verbundenheit und Gleichheit.

Wenn man sich aktiv zur Segnung entscheidet, wird man früher oder später stets das verborgene Gute in einer Situation erkennen. Pradervand gibt anschauliche Beispiele, wie sich missliche Lagen durch bewusstes Segnen, das an die Stelle emotionaler Reaktionen tritt, im Endeffekt doch noch in eine positive Erfahrung verwandeln oder zumindest immer eine Lektion in Selbsterkenntnis bereithalten. Statt sich als Opfer zu fühlen, nimmt man hier selbstverantwortlich und aktiv die Zügel in die Hand. Eine Segnung dient dabei wie ein Schutzschild. Es lässt Angriffe abprallen, da der Segnende bei sich bleibt und den Angriffen keine Energie mehr gibt.

In vielen vorindustriellen und indigenen Kulturen begleiten Segen alle wichtigen Lebensaktivitäten, das Kochen, das Werken, das Säen und Ernten, die Jagd und die Mahlzeiten. In unserem Alltag finden wir Segenshandlungen z.B. noch in Form von Einweihungsfesten. In religiösen Schriften gibt es nur wenige Hinweise auf Segnungen durch gewöhnliche Menschen. Doch mag das Aufkommen der Wiederbelebung des Segnens durch Leute wie du und ich auch ein Hinweis darauf sein, dass wir uns wieder bewusster werden, dass Gott letztendlich in jedem von uns wohnt und durch uns wirkt. Das Segnen, Verzeihen und Annehmen des anderen, wie er ist, ist dabei ein wichtiger Schritt in der sozialen Entwicklung des Menschen, vielleicht sogar der wichtigste, denn er erschließt den Weg zu bedingungsloser Liebe und Heilung. Und vergessen Sie nicht: Segnen Sie auch den wundervollen Menschen, der Sie selbst sind!

BUCHTIPP
Pradervand, Pierre
Segnen heilt
200 Seiten, € 16,90
ISBN: 978-3-941435-06-3
Reichel