Männlichkeit mal anders

Ein Zeitgeist der Erfolg und Gewinn zu Maximen erklärt, wirkt sich auch aufs Privatleben aus. Während die „weibliche Unlust“ öffentlich diskutiert wird, hört man vom männlichen Frust mit der Lust weniger. Doch eine nicht unbeachtliche Anzahl der Männer empfindet Sex als Kraftprobe oder gar als Last. Ein Buch mit dem Titel „Zeit der Männlichkeit“bietet jetzt erprobte Lösungswege für eine neue männliche Herangehensweise an das älteste Thema der Welt.

Michael und Diana Richardson, langjährige Tantralehrer und Bestseller-Autoren („Zeit für Gefühle“) haben zusammen auf dem Gebiet der Sexualität und Meditation geforscht und experimentiert. Bei ihrer Beschäftigung mit der männlichen Sexualität haben sie einige wichtige Schlüsselmechanismen entdeckt, die dem Mann eine tiefe sexuelle Zufriedenheit verwehren können. Einen dieser Mechanismen könnte man mit dem Stichwort „Erfolgsdruck“ bezeichnen. Immer noch sieht sich der Mann in Puncto Sex eher als den „Macher“ an, was ihn aber auch – ob er sich dessen bewusst ist oder nicht – dazu verleitet, sich einen größeren Anteil der Verantwortung für das Gelingen des Liebesakts aufzuladen. Der Druck, der dadurch erzeugt wird, lässt die sexuelle Begegnung nicht selten zu einem Bestätigungsritual werden. Die Richardsons empfehlen dagegen, sich viel mehr um die eigene Entspannung zu kümmern, sich genügend Zeit zu nehmen, um zu spüren und Gefühle zuzulassen, auch wenn diese vielleicht nach „Schwäche“ aussehen könnten. Sex ist kein Wettkampf, und ein „Erfolg“ kann lediglich in gemeinsamer Freude liegen. Die Betonung von Erfolg, Dominanz oder Äußerlichkeiten sind Attribute, die einer andauernden liebevollen Beziehung entgegen stehen. So erklären auch die Autoren: „Wut und Aggression sind der Normalzustand bei einem Mann, der zu wenig erfüllenden, nährenden Sex hat. Wenn ein Mann sein Verständnis von Sexualität wandelt und dadurch andere sexuelle Erfahrungen macht, weckt er auf natürliche Weise seine ursprünglichen männlichen Eigenschaften“. Diese Eigenschaften leben vom Miteinander, der Aufrichtigkeit und nicht vom Dominieren oder Alleingang: Aggression wird zur Fähigkeit, zu führen und zu halten; Kontrolle wir zum Mut, sich zu öffnen und hinzugeben. Dieses erweiterte Verständnis von Sexualität resultiert aus einer Gelassenheit, die intendiert und in die Tat umgesetzt sein will, eine Gelassenheit, die die Verantwortung für den Liebesakt realistisch aufteilt, und die sich nicht auf ein Ziel konzentriert, sondern im Sein, im Augenblick ihre Erfüllung findet. Das Problem ist nämlich, dass Mann wie Frau viel zu wenig im Augenblick leben. Tief in der männlichen Konditionierung ist dabei das „Ziel“ Orgasmus verankert. Doch „zielorientierter Sex bewirkt innere Abwesenheit“, erklären Diana und Michael. Wer stets an das Resultat denkt (in diesem Fall den kurzen Augenblick des Orgasmus), verliert die eigentliche Wirklichkeit aus den Augen: das Jetzt, das einzige, was im Grunde da ist. Dass eine bewusste Konzentration auf den Moment, einer wahren Erfüllung viel näher kommt, zeigen die beiden Experten in ihrem Buch auf vielfältige Weise. Die Weisheit der Körper mit ihren unendlichen Quellen der verschiedensten Empfindungen, die Tiefe, die durch Vertrauen entsteht, das orgiastische Potenzial, das sich im Loslassen jeglicher Erwartung verbirgt, all das lohnt, erschlossen und genossen zu werden.

BUCH-TIPP
Richardson, Diana
Zeit für Männlichkeit
200 Seiten, € 16,95
ISBN: 978-3-936360-40-0
Innenwelt Verlag