„Der entscheidende Schlüssel zum Glück ist, mit dem zufrieden zu sein, was man im Augenblick ist und hat. Diese innere Zufriedenheit verändert Ihren Blick auf die Dinge, so dass der Geist in Frieden verweilen kann.“
Der große Moment war gekommen – ein langjähriger Traum würde in Kürze in Erfüllung gehen. Nur noch wenige Augenblicke und ich würde ihn kennenlernen, den Gottkönig der Tibeter … Nach vielen Jahren der Vorbereitung und zahlreichen Hilfsprojekten für Tibeter wollte er mir 90 Minuten seiner Zeit widmen: Während ein tiefer Gong über die schneebedeckten Berge hallte und in der Ferne ein leises Murmeln von Mönchen ertönte, wurden wir in einen Warteraum gebeten – ein einfaches Zimmer mit Holzbänken und schlecht verputzten Wänden, an denen zahlreiche lachende Bilder seiner Heiligkeit hängen. Nachdem wir Formulare über Formulare ausfüllen und eine eingehende Leibesvisitation über uns ergehen lassen mussten, geht es endlich weiter. Umringt von südasiatisch anmutenden, dunkel gekleideten Leibwächtern werden wir durch einen grünen Innenhof, in dem überall bunte Gebetsfahnen im milden Wind flattern, zu einem anderen Gebäude des „Palastes“ geführt. Dort sollen wir in einem großen Raum mit gepolsterten Sesseln warten. Die Aufregung steigt, mein Herz klopft bis zum Hals – so viele Fragen hatte ich, würde er sich wirklich die Zeit nehmen?
Alles um uns herum erinnert an den 60-er-Jahre-„DDR“-Stil: einfache Schränke, Neonröhren und zahlreiche Vasen mit bunten Plastikblumen, meist Orchideen. An den Wänden aber hängen Thankas, in vorwiegend rot-orangenen Farben.
Dann erscheint plötzlich der Sekretär des Dalai Lama aus einer anderen Ecke als erwartet aus einem Nebenraum – ihm folgt bedächtigen Schrittes ein zunächst müde und in Gedanken versunken wirkender Dalai Lama. Als er vor mit steht und aufschaut, wirkt er größer und kräftiger, als ich ihn von Bildern kenne. Ein verheißungsvolles Lächeln, ein erwartungsvolles Blinzeln huscht durch sein von einer großen Brille eingerahmtes Gesicht … dann ein warmer, weicher und doch angenehmer Handschlag. Dunkelrote Schuhe, Socken von etwas hellerem Rot stechen hervor. Am Arm blitzt eine goldene Uhr. Er lacht herzlich, als er uns auffordert, Platz zu nehmen.
Staunend beugt er sich über ein grünes Glas, welches wir ihm mitgebracht haben, und kratzt sich dabei fragend das Glas betrachtend am Oberarm … Das Gastgeschenk – ein Glas frischer Spirulina-Algen – symbolisch steht es für das Projekt einer Spirulina-Farm in einer südindischen Exilkolonie der Tibeter. Der Dalai Lama lacht erfrischend und schlägt sich dabei auf die Knie … meine Anspannung löst sich und die folgenden 60 Minuten des Gesprächs vergehen wie im Flug.