Trösten – wie macht man das?

troesten01Wenn wir einen geliebten Mensch verlieren, ganz gleich ob durch Tod oder durch Scheidung, fühlen wir uns meist vollkommen allein. Dazu spüren wir eine innere Kälte, auch wenn es draußen heiß ist. Kummer, Schmerz und die Frage nach dem “Warum” beherrschen unser Herz.

In solchen Zeiten brauchen wir den Trost und die liebevolle Aufmerksamkeit anderer Menschen. Doch die sind leider nicht selbstverständlich. Eine Mutter, die ihre Tochter beerdigen musste, erzählt, dass eine gute Freundin beim Kondolieren zu ihr sagte: „Zum Glück sind Dir ja noch zwei Kinder geblieben!“ Die Mutter war erschüttert. Verstand diese Freundin denn nicht, dass ihr Herz sich nur nach dem Kind sehnte, das sie gerade verloren hatte? Diese als Trost gemeinten Worte enthielten gar keinen Trost und zwischen den beiden Freundinnen herrschte von da an Funkstille.

Andere Hinterbliebene erzählen, dass Freunde und Bekannte sich im Supermarkt wegducken, weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen. Der Mann einer jungen Frau war vor Kurzem an Herzversagen gestorben und nach nur drei Monaten fragte eine Bekannte: „Jetzt bist du doch wieder über den Berg, oder?“ Jeder sollte wissen, dass Verlustschmerz und Kummer die ersten zwei Jahre immer schlimmer werden, weil es so lange dauert, bis unser Herz endlich anfängt zu verstehen: der/die andere kehrt nie wieder zurück. Aber warum reagieren wir in solchen Situationen oft so schroff? Weil wir denken, dass wir etwas sagen sollten. Wir sollten doch einige Trostworte sprechen. Aber was erhofft sich der/die Hinterbliebene eigentlich von uns? Erwartet er oder sie wirklich Trostworte? Meistens nicht. Eine Frau wurde fünf Jahre nach dem Verlust ihres Kindes gefragt: „Welche Freunde haben dir während der letzten fünf Jahren geholfen und wie haben sie dir geholfen?“ Sie antwortete: „Die Menschen, die mit Tränen in ihren Augen zu mir kamen und sagten, ‚Ich weiss nicht, was ich sagen soll‘, die haben mir geholfen. Ich hatte das Gefühl, dass sie meinem Schmerz wirklich verstanden. Aber alle, die mit Ratschlägen kamen oder mir erzählten, was ich tun sollte, um wieder ein fröhlicher Mensch zu werden – ich habe sie gehasst! Gerade dann fühlte ich mich besonders allein, weil ich spürte, dass sie nicht wirklich verstanden, was ich durchlebte.“

Trösten ist also die Fähigkeit zu schweigen, wenn es nichts zu sagen gibt. Aber warum haben wir dann so oft das Gefühl, dass wir doch etwas sagen sollten? Weil es so schwer ist mit leeren Händen, ohne Worte dazustehen: Dann fühlen wir uns so ohnmächtig. Und um diese Ohnmacht zu vermeiden, sagen wir oft solch billige Worte, die für die Hinterbliebenen verletzend sind. Wer es also wagt, sich wirklich ohnmächtig zu fühlen und schweigend den Schmerz des anderen mitzutragen, der hat verstanden, was wirklicher Trost ist. Der weiß, dass Trösten die Kunst des Schweigens ist und der Mut, ohnmächtig zu sein.

BUCH-TIPP
Hans Stolp
Der Weg ins Jenseits
140 Seiten, € 9,95
ISBN: 978-3-89427-257-9
Aquamarin Verlag