Ins Gesicht geschrieben

Man kann einem Menschen nur vor den Kopf gucken, heißt es im Volksmund. Gemeint ist: Hinter die Fassade, zu seinen wahren Absichten, Leidenschaften und Schwächen, dringe man nicht vor. Mit der Profi l-Diagnostik jedoch soll genau dies möglich sein – durch die Betrachtung des Kopfes den Menschen in der Tiefe seiner Seele verstehen. Die Wissenschaft der Profi l-Diagnostik nach dem Schneemann-System basiert auf der Lehre der Psycho-Physiognomik Carl Huters.

Schon Aristoteles, Cicero, Quintilian, Plinius, Seneca und Galenus beschäftigten sich mit der Antlitzdiagnose, dem Vorläufer der Profi l-Diagnostik. So soll Aristoteles nur Schüler zugelassen haben, in deren Gesicht er ihre Fähigkeit ihm zu folgen lesen konnte. Parallel zu den griechischen und römischen Klassikern entstanden im asiatischen Raum um 300 vor Christus buddhistische Lehrschriften über das menschliche Haupt. Auch den Philosophen Alexander von Humboldt, den Biologen Charles Darwin und selbst der Deutschen größter Dichter Johann Wolfgang Goethe faszinierte die Möglichkeit, vom Haupt des Menschen Rückschlüsse auf sein Wesen zu ziehen. Goethe war besonders von der so genannten Patho-Physiognomik überzeugt, mit deren Hilfe sich Krankheiten im Gesicht ablesen lassen.

Analyse auf den ersten Blick
Die Psycho-Physiognomik analysiert in einer ersten Typen-Einschätzung das so genannte Naturell des Individuums. Dies ist auf den ersten Blick und innerhalb weniger Sekunden möglich. So lässt sich beispielsweise in kürzester Zeit abschätzen, ob das Gegenüber eher geistig interessiert, materialistisch ausgerichtet ist oder eine Veranlagung zu Sport und Bewegung hat. Viel tiefer geht die Detailanalyse. Hier werden die so genannten Sinne abgetastet: 68 fühl- und oft sichtbar herauswölbende oder nach innen vertiefende Punkte am gesamten Schädel. Dazu kommen fünf Achsen, sieben Stirnregionen und natürlich die Gesichtsorgane selbst. Jedes dieser insgesamt knapp 300 Charakteristika bietet eine Aussage über einen Wesenszug des Individuums, zum Beispiel über sein mathematisches Talent, sein Durchhaltevermögen bei geistiger Tätigkeit oder sogar seine sexuelle Triebkraft.

Schon im 19. Jahrhundert bekannt
All diese Analysemethoden sind seit der Forschungsarbeit Carl Huters im 19. Jahrhundert bekannt. Was nun ist das Neue an der Profi l-Diagnostik nach dem Schneemann-System? Der Profi l-Diagnostiker Wolfgang Veit erklärt: „Im Schneemann-System vernetzen wir die einzelnen Punkte. Dadurch wird der Aussagewert deutlich verbessert. Das heißt, bevor wir zum Beispiel eine Aussage zu einem Talent treffen, müssen wir erstens die Veranlagung dazu finden, zweitens die Information, ob die Person diese auch verwirklichen will und drittens schauen wir, ob sie sie schon lebt oder eher unterdrückt.“

Jede Falte hat ihre eigene Geschichte

Das eigene Bedürfnis leben
Viele Menschen, so seine langjährige Erfahrung, leben nicht das Talent, das ihnen in die Wiege gelegt wurde. Vielmehr versuchen sie, den Erwartungen ihrer Eltern, Vorgesetzten oder Vorbilder zu entsprechen und leben, wie Wolfgang Veit es nennt, „entgegen ihrem Naturell“. So hatte ein mit einem starken musikalischen Talent beschenkter Junge in einer Bankerfamilie keine Chance, seinem Bedürfnis Klavier und Geige zu spielen, nachzugeben. Vielmehr beugte er sich den Erwartungen seiner Familie und wurde Angestellter einer deutschen Bank. Als die Personalabteilung dieser Bank sich für Weiterbildungsgespräche mit den Mitarbeitern Profil-Diagnostiker hinzuholte, sahen diese nicht nur das musikalische Talent des Bankers. Nein, ihm war auch ins Gesicht geschrieben, dass er dieses Bedürfnis nicht lebte. Als sie dies ansprachen, begann der Mann zu strahlen und bestätigte die Aussage voller Nachdruck. „Wenn einem Klienten bewusst wird, dass er seit Jahren ein tiefes Bedürfnis unterdrückt, wird das Gespräch oftmals emotional. Viele ändern ihr Leben anschließend.“ So auch der Bankangestellte. Er begann nach 18 Jahren endlich mit dem Klavierspielen.

Liebevolle Selbsterkenntnis
Am Beginn der Ausbildung zum Profil-Diagnostiker jedoch steht die Selbsterkenntnis. Denn wer anderen erklären möchte, wer sie sind, sollte sich selbst sehr gut kennen. In der Ausbildung lernt man, dies mit Selbstliebe zu tun und sich nicht wegen Schwächen zu verurteilen. Denn „die Profil-Diagnostik fällt keine Werturteile. Das heißt, es gibt keine guten oder schlechten Ausprägungen“. Stattdessen helfe sie, sich auf die eigenen Stärken und Talente zu konzentrieren und Schwächen liebevoll anzunehmen.

Das perfekte Team
Die Profil-Diagnostiker werden zunehmend von Unternehmen hinzugezogen, wenn Teams zusammengesetzt werden sollen. So kann der eine gut präsentieren und verkaufen, der andere führt exakt Buch und rechnet Verluste und Gewinne durch. Kommt eine dritte Person dazu, die voller Ideen und Visionen steckt, ist das Team fast perfekt. Genauso kann die Profil-Diagnostik einen Lehrer dabei unterstützen seine Schüler richtig zu fördern. Denn mithilfe der Profil-Diagnostik sieht er, warum ein Schüler sich gerade offensichtlich langweilt und wie er diesen motivieren kann.

Jedes kleine Detail im Gesicht eines Menschen kann eine wichtige Botschaft über die momentane Gemüts- und Stresslage haben

Den Partner verstehen
Jeder Mensch hat Wesenszüge, die typisch für ihn sind, die jedem Bekannten sofort einfallen, wenn er an ihn denkt. Die Profil-Diagnostik erklärt Hintergründe und Zusammenhänge dieser Verhaltensweisen. Das dadurch entstehende Verständnis, so betont die Lehre der Menschenkenntnis, macht toleranter. Denn ohne dieses Verständnis scheitert bisweilen Großes an Kleinem. Wolfgang Veit erzählt von einem Ehepaar, das erhebliche Probleme in der Beziehung hatte und kurz vor der Scheidung stand: „Der eine Partner war total unordentlich, der andere sehr auf Ordnung bedacht. Sie stritten sich häufig darüber. Als sie während der Profilanalyse begriffen, dass die Ausprägung des Ordnungssinns in der Natur des Partners begründet ist, konnten sie endlich über ihre Streitereien lachen. Nun nehmen sie die Schwächen des anderen mit Humor und versuchen, ihn mit seinen Eigenheiten mehr zu respektieren.“

Hoher ethischer Anspruch
Eins liegt dem Menschenkenner noch am Herzen: Die Ausbildung zum Profi l-Diagnostiker habe einen hohen ethischen Anspruch an ihre Schüler – damit das Wissen über das Gegenüber nicht ausgenutzt werde. Und wie nun stellen die Ausbilder dies sicher? Natürlich, mithilfe der Profil-Diagnostik: „Wir lassen nur Menschen zu, bei denen wir stark ausgeprägtes Wohlwollen und Menschenliebe sehen.“

BUCH-TIPP
Dirk Schneeman
Wer bin ich? Wer bist Du?
175 Seiten, € 25,00
ISBN: 978-3-89880-141-6
Heel Verlag