Erinnere dich!

Joe Vitale, der aus »The Secret« bekannte Autor und Coach, hegte seit Längerem den Wunsch, Musiker zu werden. Für die Umsetzung dieses Vorhabens fehlte ihm aber lange der zündende Funke. Als er auf den Musiker Daniel Barrett stieß, erfuhr er von dessen Erfolgsgeheimnis für Kreativität: Er musste sich an sich als Musiker erinnern …

scorpio-34-36.inddDaniel Barrett machte Joe Vitale mit etwas vertraut, das jetzt unter der Bezeichnung »Remembering-Prozess« an die deutschsprachige Öffentlichkeit gelangt. Es ist eine Methode, um Ziele auf stressfreie Art zu verwirklichen. Ausgegangen ist die Methode von dem Musiker, Komponisten und Produzenten Daniel Barrett. Er wurde sich irgendwann während des Songschreibens klar darüber, dass er seiner Kreativität mehr Raum geben konnte, wenn er sich daran »erinnerte«, bereits das Gewünschte erreicht zu haben. »Es ist leichter, sich zu erinnern, als etwas zu erschaffen«, sagt er.

Der »Remembering-Prozess« war in den 1990er Jahren für ihn ein Spiel, während er in Boston Musik studierte. Er wollte besser mit der »Unruhe« klarkommen, die mit dem kreativen Prozess einhergeht. Er wollte nicht länger versuchen, kreativ zu sein, das erschien ihm zu gewollt und mühselig. Anfangs experimentierte der Amerikaner damit, Songs zu komponieren, die er empfing wie ein Channeling-Medium. Bereits dies brachte erstaunliche Resultate, wie er berichtet; einiges überstieg sogar sein damaliges Können, so dass er viel dazulernte. Doch dann fand er noch eine einfachere Methode, um seine Kreativität frei fließen zu lassen. Er stellte sich einfach vor, dass ein Song längst geschrieben war, und sah die damit verbundenen Umstände vor sich, hörte die Musik und spürte die aufkommende Freude – alles mittels seiner Imaginationskraft.

Erinnern und erfüllen

Der Remembering-Prozess entwickelte sich also zuerst als eine Methode, um Songs zu schreiben, aber er lässt sich auf viel mehr anwenden. Man kann ihn nutzen, um alles Mögliche zu erschaffen: anderweitige kreative Werke, gute zwischenmenschliche Beziehungen, eine erfolgreiche Karriere, das Fortkommen in einer festgefahrenen Lage und vieles mehr. Es ist ein einfaches Konzept, das Großes bewirken kann.

Joe Vitale wurde tatsächlich auf diese Weise Musiker. Daniel hatte ihm geraten, sich an seinen ersten Song zu erinnern: wie er sich anhörte, wie der Text lautete, die Melodie, die Akkorde. »Er forderte mich nicht auf, den Song zu erschaffen. Er forderte mich auf, mich an den Song zu erinnern«, erzählt Joe. Er wurde in diesem Prozess an eine Form des »Nevillisierens« erinnert, die er in seinem Buch »The Attractor Factor« beschrieben hatte und die darin bestand, so zu tun, als sei ein gewünschtes Ereignis bereits verwirklicht. Die Bezeichnung »Nevillieren« verweist dabei auf den spirituellen Lehrer und Philosophen Neville Goddard, der diese Technik in den 1950er und 1960er Jahren empfahl.

Doch beim »Remembering-Prozess« geht man im Prinzip weiter – in die Zukunft. Man tut so, als sei das Ziel längst verwirklicht, und erinnert sich, wie es erreicht wurde. Dabei ist es vorteilhaft, wenn man möglichst viele der dazugehörigen Gefühle spüren kann, z.B. die Freude beim Erlangen des Ziels. Gefühle sind Energie, die dem Prozess den größten Schwung geben. Joe und Daniel konnten so in Rekordzeit ein Album produzieren. Und Daniel nutzte die Methode, um die Texte für ihr gemeinsames Buch zum Remembering-Prozess zu verfassen.

Das »Remembering-Rezept«

Zutaten des »Remembering-Rezepts«

  • Visualisieren
  • Innere Blockaden und das Ego aus dem Weg räumen
  • Spielerische Offenheit
  • Glaube an die Einheit aller Dinge
  • Glaube an die Einheit der Zeit

Die Schritte im Remembering-Prozess

  1. Entspanne dich.
  2. Sei einverstanden mit dem gegenwärtigen Augenblick.
  3. Spiele, vertraue und beobachte.
  4. Verwende Erinnerungshilfen.
  5. Wage den Sprung in den Einheitszustand.
  6. Sammle die Schnipsel.

Und noch einige Ratschläge:

  • Wenn du beginnst, dich an das gewünschte Resultat zu erinnern, konzentriere dich zunächst auf die großen Ergebnisse und spiele dann mit den kleineren Details. Folge dem Pfad deiner Gedanken und Visionen. Fokussiere dich auf die Gefühle und Erinnerungen, die sich besonders real anfühlen.
  • Wenn du dich an mehreren Tagen hintereinander an das gleiche Resultat erinnerst, gewinnst du Klarheit über die Schritte, die dorthin führten.
  • Notiere die erinnerten Details, die erscheinen, wenn du dich an das Gewünschte erinnert.
    Je detailreicher die Eindrücke sind, desto besser. Gefühle, Gerüche, Bilder und Wortfetzen, Augenblicke des Erfolgs und Reaktionen der Leute, die um einen sind, all das sind gute Ankerpunkte für das Bewusstsein, die aufgeschrieben werden sollten und so im Bewusstsein verankert werden.

Konstante und relative Zeit

Für den Remembering-Prozess ist es vorteilhaft, das eigene Verständnis von Zeit etwas zu entstauben. Die Autoren beschreiben dafür zwei grundlegende Zeitmodelle: das Newtonsche Modell und das Einsteinsche Modell. Eines davon soll uns die Entscheidung für einen neuen Weg der bewussten Nutzung von Zeit erleichtern.

Bei dem Newtonschen Zeitmodell ist die Zeit für alle Beobachter gleich und kann objektiv gemessen werden. Man nennt dies »absolute« oder »realistische Zeit«. Sie ist völlig losgelöst von der Idee des Raumes und eine vom Menschen fest verankerte Konstante, die das individuelle Zeitempfinden außer Acht lässt.

Einstein hingegen glaubte, dass Zeit und Raum miteinander verbunden sind und nannte dies »Raumzeit«. Er schlussfolgerte, dass Objekte wie Planeten oder Sterne das Gewebe der Raumzeit verzerren. Je größer das Objekt ist, desto mehr kann es die Raumzeit verzerren und eine »Delle« im Raum-Zeit-Kontinuum verursachen.

Erweiternd zu der »Allgemeinen Relativitätstheorie« Einsteins besagt die »Spezielle Relativitätstheorie«, dass Zeit unterschiedlich schnell verläuft, je nachdem wo man sich befindet und welcher Aktivität man nachgeht. Je mehr sich etwas der Lichtgeschwindigkeit annähert, desto langsamer verstreicht die Zeit. Paradoxerweise soll demnach ein Zwilling auf Weltraumreisen in einer Rakete langsamer altern als sein Zwilling, der auf der Erde zurückbleibt.

Nach Einstein ist Zeit also keine absolut feste Konstante. »Die Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist nur eine Illusion, allerdings eine besonders hartnäckige«, sagte einst der berühmte Wissenschaftler. So können wir durch das Wissen, das Zeit relativ ist, ernsthaft beginnen, mit der Zeit zu experimentieren. Schließlich haben Einsteins Erkenntnisse die Wissenschaft revolutioniert! Die Auswirkungen davon dringen langsam ins Bewusstsein der Allgemeinheit und eröffnen ganz neue Perspektiven. Mit diesem Wissen fällt es so manchem Interessierten sicherlich leichter, durch Erinnern die Zukunft ins Jetzt zu holen.

Aufgrund dieser Einsichten, nennen die Autoren den Remembering-Prozess auch »Einsteinsches Erinnern«.

Wünschen drückt Mangel aus

Die Energie des Erinnerns ist eine ganz andere als die des Wünschens. Sie unterstützt das Vertrauen in sich selbst. Statt zu kontrollieren und herbeizusehnen, bleibt man offen und entspannt. Sich hier Druck zu machen ist Fehlanzeige. Das Bedürfnis, Dinge zu erzwingen, schwindet vielmehr im Verlauf des Prozesses, was auch ein großer Vorteil für jegliche spirituelle Praxis darstellt. Nicht durch Zwang, sondern durch Loslassen, Geschehenlassen erreicht man Stille und Frieden. Nur so entsteht ein »Einheitszustand«, wie ihn die Autoren nennen. Dieser Zustand hat etwas Befreiendes und Bewusstseinserweiterndes. Spiritualität und Alltagsbewusstsein treffen hier aufeinander.

Im Gegensatz dazu steht der Vorgang des »Wünschens«. »Wenn wir uns ein bestimmtes Resultat wünschen, richten wir damit eine Barriere gegen die Verwirklichung des Wunsches auf, da wir die Energie des Brauchens dabei ausstrahlen. Der empfundene Mangel enthält immer auch Angst, und Angst aktiviert in unserem Körper die Kampf-oder-Flucht-Reaktion«, erklärt Joe Vitale. Dies führt letztendlich zu einem Energieverlust. Die Worte »Ich wünsche mir« spiegeln häufig eine Opfer-Haltung und Mangel wider. Genau dies steht jedoch dem Auflösen von Mangel entgegen. Ganz im Sinne des Gesetzes der Resonanz zieht man damit nur noch mehr Mangel in sein Leben.

Wenn man weiß, dass das verwirklichte Ziel bereits jetzt irgendwo im Raum-Zeit-Kontinuum existiert, gibt es keinen Grund für Anspannung, Angst oder Zweifel. Auf einer ganzheitlich betrachteten Ebene von Raum und Zeit haben wir das Gewünschte bereits erreicht. Wir müssen nichts tun, nichts erlangen, sondern lediglich unsere Erinnerung an uns als erfüllte Person aktivieren, so die Devise des Remembering-Prozesses.

Statt zu schauen, was wir nicht haben oder sind, sollten wir uns vorstellen: Wie habe ich diese gesündere Version meiner selbst erschaffen? Dabei spielt es keine Rolle, wenn die Antworten etwas unklar und verschwommen seien, schreibt Daniel Barrett. Dies sei völlig normal, wenn man sich an etwas erinnere. Die Antworten könnten uns trotzdem neue Möglichkeiten aufzeigen, um mit einem bestimmten Vorhaben umzugehen. Die entstehende Vorfreude versetzt den Körper zudem in eine harmonische Stimmung und energetisiert die Absicht. Auch eine Dankbarkeit, die im Voraus empfunden wird, wirkt sich unterstützend aus.

Problem der oberen Grenze

Ein paradoxes Hindernis, das sich den Anwendern des Remembering-Prozesses laut Vitale und Barrett oft in den Weg stellt, ist das »Problem der oberen Grenze«. Tatsächlich seien viele Menschen an ein bestimmtes Niveau positiver Gefühle gewöhnt, so dass sie noch positivere Emotionen kaum zulassen könnten. Deshalb kann es teilweise nötig sein, sich aktiv zu öffnen und zu lernen, mehr positive Energie, mehr Erfolg und mehr Liebe zuzulassen. Die Fähigkeit, große wunderbare Gefühle zuzulassen, muss dann bewusst erweitert werden – aber es lohnt sich in jedem Fall: Allein das Bewusstsein einer Erfüllung sendet ein positives Signal in alle Richtungen, das irgendwann sicherlich Anklang findet.

Buchtipp
Joe Vitale, Daniel Barrett
Das Remembering Geheimnis
192 Seiten, € 16,99
ISBN: 978-3-95736-031-1
L.E.O. Verlag
Joe Vitale
Joe Vitale ist einer der erfolgreichsten Motivationstrainer der USA und auch bei uns durch seine Bücher und seinen Auftritt in dem Millionen-Seller THE SECRET bekannt. Den »Remembering- Prozess« entwickelte er gemeinsam mit dem texanischen Musiker, Produzenten und Komponisten Daniel Barrett (im Bild rechts).