Die Grenzen zwischen Mann und Frau

Christian Seidel erforscht seine weibliche Seite, »Christiane«, und revoltiert damit gegen die stereotypen und festgefahrenen Geschlechterrollen unserer Gesellschaft und Kultur: Ein Jahr lebt er als Frau. Hierbei ändert er aber nicht seine sexuelle Gesinnung und fühlt sich auch nicht schlecht in seinem »Mannsein«. Nur die deutlich definierte und festgefahrene Männerolle möchte er durchbrechen. Sprüche wie: »Indianer verspüren keinen Schmerz«, »Männer weinen nicht«, Erfolgsdruck, das Muss, immer Stärke zu zeigen, lassen Stereotype erkennen, die einen »echten« Mann beschreiben sollen.

049246-000_christian_14Christian Seidel will sich nicht länger diesen Zwängen ergeben, sondern seine Rolle von Grund auf neu definieren. Erst spät wird ihm klar, dass der Perspektivwechsel seine komplette Existenz gefährdet. Seine Ehe, seine Freundschaften, seine Identität. Mit schonungsloser Offenheit erzählt Seidel von tiefgreifenden und schockierenden Erlebnissen während seines Balanceaktes auf den Grenzen zwischen den Geschlechtern. Dabei sieht der einstige Macho nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer in einem völlig neuen Licht.

»Je länger das Experiment fortschritt, desto mehr hatte ich den Eindruck, dass die Grenzen zwischen Männern und Frauen eher fließend waren. Es fiel mir schwer, mir vorzustellen, irgendwann, wenn mein Versuch vorbei war, wieder in einem Menschenteil leben zu müssen, der nur Mann heißt. Das hatte etwas Abgebrochenes und Isoliertes an sich. Zwischen Männern und Frauen existierten keine Stacheldrahtverhaue, Mauern oder Todesstreifen, jedenfalls keine natürlichen, sondern nur kulturell konstruierte. … Das Frausein war für mich wie eine Rückkehr in mein wirkliches, in mein inneres Zuhause als Mensch. Ich hatte es irgendwann in meiner Jugend verlassen, abgespalten, um Mann zu werden. Jetzt wollte ich nur noch Mensch sein. Ohne auch nur den geringsten Kompromiss und ohne die kleinste Differenzierung. Weder Mann noch Frau, sondern voll und ganz.«

Ein provokanter Aufruf, die gängigen Klischees endlich über Bord zu werfen, und ein wohltuend authentischer Beitrag in der oft theoretisch ausufernden Geschlechterdebatte.

Der Dokumentarfilmer Dariusch Rafiy hat den Autor bei seinem ungewöhnlichen Selbsterfahrungsversuch ein Jahr lang begleitet. Am 31. Januar strahlt ARTE »Christian und Christiane«, eine einstündige Dokumentation über den Selbsterfahrungsversuch, im Abendprogramm aus.

Ein Buch über Christian Seidels Erfahrungen ist im Heyne-Verlag erschienen.

Buch-TIPP
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Christian Seidel
Die Frau in mir – Ein Mann wagt ein Experiment
288 Seiten, 12,99 €
ISBN: 978-3-453-60299-1
Heyne Verlag

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