Eine Reise in das Herz von Klang und Stille

Es wird viel Musik gemacht auf der Welt, aber viel zu selten stellt man sich die Frage: Warum machen wir Musik? Warum hören wir Musik? In der Vergangenheit waren sich die Menschen darüber völlig im Klaren: Musik war erstens dazu da, Gott zu dienen und uns dem Göttlichen näher zu bringen, und zweitens war sie eine Art Medizin, um Körper und Seele zu heilen.

Johann Sebastian Bach hat es treffend ausgedrückt, als er schrieb, dass die Musik „nur zur Ehre Gottes und Erfrischung des Gemüts“ dienen soll. In der Antike war Musik Ausdruck der göttlichen Harmonie der Sphären und Pythagoras hat Melodien bewusst als Heilmittel erschaffen, um körperliche und seelische Krankheiten seiner Schüler zu kurieren.

Besonders in der klassischen indischen Musik sind sich Musiker und Zuhörer auch heute noch des eigentlichen Sinnes der Musik zutiefst bewusst: Musik ist für sie gleichbedeutend mit Meditation, ein Mittel, um sich mit dem Kosmischen zu verbinden. Für Hazrat Inayat Khan, der den Sufismus als erster in den Westen gebracht hat und der auch ein großer Meister der Musik der klassisch-indischen Tradition war, war sie sogar einer der direktesten Wege zur geistigen Verwirklichung.

»Our music is born out of meditation and a celebration of life. It‘s not a matter of entertaining people. We play to nourish a longing in the heart for that which never dies – the experience of love and meditation« Miten

Aber irgendwann im Laufe der Geschichte hat sich, zumindest hier im Westen, die Situation dramatisch verändert. Musik wurde immer mehr als Unterhaltung betrachtet und im schlimmsten Fall – besonders seit dem 20. Jahrhundert – diente sie entweder als eine Art emotionaler Mülleimer für die chaotischen oder negativen Gefühle der Musiker, als ein rein intellektuelles Konstrukt (vor allem in der klassischen Musik) oder zur sexuellen Stimulation und Aufmunterung (vor allem in der Pop-Musik). Von einigen Ausnahmen abgesehen, hat man Musik nicht mehr bewusst als Ausdruck des Göttlichen oder als Weg zur Heilung betrachtet.

Heute gibt es wieder eine wachsende Zahl von Musikern, die versuchen Musik als heiliges Geschehen zu verstehen und zu leben. Zu ihnen gehören zwei, die mit ihrer Art von „Mainstream-Sakral- Musik“ eine breite Öffentlichkeit erreicht haben. Die Zuhörer von Deva Premal & Miten, die ab April wieder auf Europa-Tournee gehen, berichten oft, dass sie selten von einem Konzert so tief berührt worden sind.

„Unsere Musik ist aus der Meditation heraus geboren und aus Hingabe“, sagt Miten. „Wir fühlen uns berufen in die Welt zu gehen und diese Musik mit anderen zu teilen. Das bedeutet viel zu reisen, aber das macht nichts. Im Gegenteil, für uns ist das Reisen ein Segen. Es verwandelt und erfrischt uns immer wieder. Zudem hatten wir über all die Jahre die Freude zu sehen, wie unsere Zuhörerschaft wächst. Es ist wie eine Blume beim Auf blühen zu beobachten.“ „Der eigentliche Sinn unserer Musik liegt darin“, sagt er, „die Sehnsucht im Herzen nach dem zu wecken, was immer allgegenwärtig ist: Die Erfahrung von Stille und Meditation. Unsere Vision ist ganz einfach: Jeder, der eine Stimme hat, kann singen, und jeder, der den Atem in seinem Körper spürt, kann die Erfahrung seiner Göttlichkeit machen.“

„Ich hätte nie erwartet, morgens aufzuwachen und mein Leben als Wunder wahrzunehmen! Ich fühle mich gesegnet und bin zutiefst dankbar“, fügt Premal hinzu, „dass Spiritualität, Kreativität, Arbeit und Liebe in meinem Leben dasselbe bedeuten. Die Existenz hat mir einen unglaublich schönen Weg gewiesen, mich durch meine Musik mitteilen zu dürfen, und ich kann nicht anders als diesem Ruf zu folgen. Mein Leben ist von Mantras durchdrungen und ich sehe mich als ihre Dienerin.“

Deva Premal wuchs in einer spirituell orientierten Familie in Nürnberg auf, die sie bereits im frühen Alter mit Chanting und Meditation vertraut machte. Von ihrem Vater hatte sie schon als junges Mädchen Mantras gelernt, die sie fleißig rezitierte. Aber der entscheidende Moment kam, als sie im Alter von 10 Jahren den indischen Meister Osho entdeckte; sie begann, die verschiedenen Meditationen, die Osho entwickelt hatte, regelmäßig zu praktizieren und schon mit 17 fing sie an, so viel Zeit wie möglich in Oshos Ashram in Indien zu verbringen. Als „Sannyasin“ wurde ihr der Name „Deva Premal“ – „Göttliches Lieben“ – gegeben.

Im Alter von 21 Jahren begegnete sie Miten, ihren künftigen Partner – in der Musik wie im Leben –, der einen ganz anderen Lebensweg hinter sich hatte. In seinen jungen Jahren machte der gebürtige Engländer Karriere als Sänger und Texter in der Rock-Musik-Szene der 70er; er hatte schon Auftritte als „Special Guest“ bei Künstlern wie Fleetwood Mac, Ry Cooder, Randy Newman und Lou Reed gehabt. Schnell hatten ihn die großen Firmen der Branche entdeckt und er bekam Plattenverträge und alles, was zum äußeren Erfolg gehörte.

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„Es war ein aufregendes Leben, aber tief drinnen wusste ich, dass es mich nie befriedigen würde“, erzählt er von dieser Zeit. Irgendwann stieß er auf ein Buch von Osho – damals noch als Bhagwan Shree Rajneesh bekannt – und als er dessen Worte las, „war da eine Stimme in meinem Inneren, die flüsterte: ‚Genau das!’“ Schon bald darauf wurde er Sannyasin und seine Erfahrung in der Osho-Kommune hat sein Leben völlig verändert. Und auch seine Musik: „Bevor Osho in mein Leben trat, schrieb ich meine Lieder als eine Art persönliche Therapie. Lieder von Schmerz, sexueller Liebe und Wut. Damals war mein Leben ein einziges Chaos. Ich war ein Boot ohne Ruder.“

Danach, als er langsam wieder anfing Musik zu machen, wurden seine Lieder schlicht, aufrichtig und sehr direkt. „Und aufgrund ihrer Schlichtheit und weil sie aus einer Dankbarkeit heraus entstanden statt aus Angst, spürte ich ihre andere Qualität, wenn ich sie sang. Es war wie ein Wunder – ein Schlüssel zu meinem Herzen und eine Tür zur Gegenwart.“

Nach ihrer Begegnung im Osho-Ashram in Indien, begannen Deva Premal und Miten zusammen zu musizieren; inzwischen haben sie mehrere Welt-Tourneen gegeben, zahlreiche erfolgreiche CDs aufgenommen und so prominente Bewunderer gewonnen wie den Dalai Lama, Eckhart Tolle oder Cher.

Über ihre Konzerte sagt Premal: „Uns geht es beim Spielen um die Stille, die dem Singen folgt. Ohne diese Stille kriegt man nur die Hälfte mit. Die Stille ist deshalb da, weil sie bereits in der Musik enthalten ist… weil sie letztlich schon immer und überall vorhanden ist. Eigentlich singen Miten und ich nur, um ein Bad in dieser Stille zu nehmen. Das nährt uns. Das gibt uns Kraft. Ich kann mir nichts Kostbareres vorstellen, als mit dem Publikum zu singen, ekstatisch vor Seligkeit, und mich danach in diese Tiefe fallen zu lassen, die das Mantra erschließt – so tief, dass du bei geschlossenen Augen tatsächlich das Gefühl hast, als wäre da überhaupt niemand mehr: Kein Publikum, keine die singt – die Individuenhaben sich einfach für einen heiligen, zeitlosen Augenblick lang aufgelöst.“

Bei ihren Konzerten gibt es am Schluss keinen Applaus. Viele haben sicher schon erlebt, wie sie von einem wunderbaren Konzert tief berührt gewesen sind, innerlich genährt, wie in eine andere Dimension gerückt, und dann – los geht es mit dem Geklatsche und die ganze innere Stille, die gesamte Energie wird schlagartig und brutal verscheucht. Man ist auf einmal wieder im tristen Alltag und die Seelen-Nahrung, die die Musik uns zu geben versucht hat, ist verschwunden statt uns nach dem Konzert in unser Leben zu begleiten.

„Es berührt mich sehr, wenn Leute uns erzählen, dass sie unsere Musik benutzen, um etwas Heiliges in ihren Alltag zu bringen,“ sagt Premal.

Wenn sie für ein Publikum spielen, gibt es – wie oft in der klassischen indischen Musik – keine psychologische Trennung zwischen ihrem Publikum und den Zuhörern; es findet ein Ereignis statt, das von allen Anwesenden – Musiker und Publikum – geteilt wird.

„Ich sehe mich nicht als Sänger oder Liedermacher. Ich sehe mich mehr als ein Meditierender, der Musik macht“, erklärt Miten. „Wie sehr man sich auch anstrengt, wie viel Geld man auch ausgibt oder wie viele großartige Musiker auch spielen – Musik wird erst dann heilig, wenn das Göttliche hinzukommt.“