Tod

Tabuthema Tod

Sterben und Tod sind in unserer Gesellschaft immer noch Tabuthemen. Ungern spricht man darüber, am liebsten klammert man alle Geschehnisse, die damit zu tun haben, aus. Auch aus diesem Grund ist unser Wissen über die Vorgänge beim Sterben meist gering, unser Umgang mit dem Tod oft ungeschickt. Doch die Beschäftigung mit diesen Dingen ist keineswegs nur traurig und beängstigend. Im Gegenteil: Wir können von Sterbenden und vom Tod vieles lernen, das ungeahnte Tiefe in unser Leben bringt.

TodWas mit uns beim Sterben und nach dem Tod geschieht, das weiß im Grunde keiner genau. Die Religionen bieten uns in dieser Hinsicht die meisten Antworten. Doch variieren sie stark. Während im hinduistischen Glauben nach dem Tod wieder neue Lebenszyklen beginnen – oder ein endgültiges Aussteigen aus dem Rad des Lebens möglich wird –, kennt das Christentum Paradies oder Hölle. Im tibetischen Buddhismus liegt sogar ein ganz spezifisches Wissen zum Sterbeprozess vor. Hier werden die Phasen des Sterbens und nach Eintreten des Todes im »Tibetischen Totenbuch« als Durchgang durch verschiedene »Bardos« geschildert – Etappen, in denen sich dunkle und lichte Erfahrungen aneinanderreihen. Der letztendliche Ausgang dieser Erlebnisse hängt dabei davon ab, wie bewusst man bei dieser »Reise« ist. Im Schamanismus wiederum wird der Tod meist als eine Durchtrennung der Verbindung von Seele und Körper gesehen, wonach die Seele sich wieder mit dem großen Ganzen, mit dem »Spirit«, vereinigt.

»Die Tragik des Lebens liegt nicht in seiner Kürze, sondern darin, dass wir oftmals zu spät erkennen, was wirklich wichtig ist.«
Elisabeth Kübler Ross

Unsterbliche Seele

In vielen religionsunabhängigen spirituellen Traditionen wird ebenfalls davon ausgegangen, dass die Seele sich beim Sterben vom Körper löst. Allerdings lebt sie danach fast immer in irgendeiner Form weiter. Sie kann sich einerseits – bei Verstrickungen, die aus ihrem vorherigen Leben herrühren – auf astralen Ebenen verirren und als Geisterscheinung in der irdischen Sphäre für diejenigen sichtbar bleiben, die medial veranlagt sind. Oder sie kann andererseits eine Art Schulung von höheren Geistwesen erfahren, um dann auf ein neues Leben auf unserer oder einer anderen Daseinsebene vorbereitet zu werden.

Eine Art Bestätigung für die Überzeugungen eines Weiterbestehens der Seele nach dem Tod liefern uns Erfahrungen von Menschen, die für kurze Zeit klinisch tot waren und in dieser Zeit z.B. Lichterlebnisse oder Begegnungen mit Geistwesen hatten. Wissenschaftliche Untersuchungen zum Phänomen »Nahtoderfahrung« haben in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Die Ergebnisse der Forscher Ian Stevenson, Pim van Lommel oder Markolf H. Niemz sind in diesem Bereich wegweisend und können auch das Weltbild von Menschen verschieben, die die Dinge rein rational angehen.

Sterbebegleitung

HändeEinen wichtigen Beitrag zur Sterbeforschung liefern auch die vielen Menschen, die meist ehrenamtlich Sterbebegleitung in Hospizen leisten. Die Erfahrungen, die sie sammeln, sind für jeden Patienten, Angehörigen oder in einem Pflegeberuf Tätigen von großem Wert, denn sie nehmen einerseits die Angst vor den Prozessen rund um den Tod und zeigen andererseits, dass sich die Beschäftigung mit dem Thema lohnt, da sie auf eine Weise erfüllend ist, die man nicht vermutet hätte – nicht zuletzt, weil das Leben an sich wieder in den Vordergrund rückt und seine Kostbarkeit deutlich wird.

Die erfahrene Sterbebegleiterin und Autorin Erica Meli hat zu ihren Erfahrungen mit kranken und sterbenden Menschen ein Buch geschrieben, das alle Seiten dieses Prozesses beleuchtet: die Eindrücke der Betroffenen, der Zurückbleibenden und natürlich ihre eigenen. Sie lässt Kranke und Angehörige selber zu Wort kommen. Diese erzählen, wie sie z.B. die Zeit vom Moment der Diagnose einer unheilbaren Krankheit an erleben. Gedanken über Ängste, Seelennöte oder Dinge, die sonst nur ganz leise gesagt werden, finden ebenso eine Beschreibung wie Nahtod-Erlebnisse und Hinweise dazu, was bei einem Todesfall unmittelbar unternommen werden muss.

Die eigene Sterblichkeit

Der Ungarin ist es ein Anliegen, Menschen am Ende ihres Lebens einen Tod in Würde zu ermöglichen. Mit viel Hingabe, Verständnis und einem unerschütterlichen Glauben, der seine Basis im Christentum hat, tut sie dies. Meli zeigt anhand ihres Buches, wie wichtig es ist, jeden Augenblick unseres Lebens in seiner ganzen Fülle zu erleben, und eröffnet uns Wege, um unsere Ängste und Hoffnungen zu ergründen und der Frage nachzugehen, was in unserem Leben wirklich wichtig ist. Man kommt nicht umhin, auch über das eigene Sterben nachzudenken und sich damit zu befassen, wie man einmal sterben möchte. Jeder Mensch hat seine ganz eigene Art zu sterben, sein Tod ist oft geprägt vom vorausgegangenen Leben. Das lässt sich auch einigen Berichten in Melis Buch entnehmen. Das Leben im Hier und Jetzt kann unser Leben im Jenseits scheinbar beeinflussen.

In erster Linie will Erica Meli Mut machen: »Es geht mir nicht um Belehrungen und ich erhebe auch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Ich möchte aber meine Erfahrungen und Einsichten mit anderen Menschen teilen und sie ermutigen, auf ihr eigenes inneres Wissen zu lauschen und ihm zu folgen. In jedem Menschen lebt seine eigene Wahrheit. sie soll ihn dazu führen, sich von Ängsten und Zweifeln zu verabschieden und zu einer inneren Gewissheit zu finden: Zur Gewissheit, dass wir im Tod nicht ins Ungewisse fallen, sondern liebevoll aufgefangen werden. Wenn diese innere Sicherheit in uns wächst, werden wir fähig, auch noch den letzten Strohhalm loszulassen.«

Loslassen, Geschehenlassen

Wenn wir in schicksalhaften Stunden um die Dinge wissen, die beim Sterben und nach dem Tod passieren, dann können wir vielleicht vertrauensvoller in diese Phase unserer Existenz eintreten. Das Sterben ist schließlich die schwerste Aufgabe, die auf jeden Menschen wartet. Es ist ein Prozess, den alle durchleben müssen. »Alles, was man liebt, alles, was einem wichtig war, die ganze Welt und alles, was ist und war, einfach loszulassen – das ist Schwerstarbeit und erfordert die letzte Kraft«, schreibt auch Meli. Wichtig ist, zu wissen: Der Tod ist im wahrsten Sinne ein natürliches Geschehen, so natürlich wie eine Geburt. Der Unterschied ist nur, dass die Geburt ein aktives Geschehen ist, Sterben dagegen ein passives Geschehenlassen, so die Autorin. Bei ihren Sterbebegleitungen ist Meli aufgefallen, dass es zwei bedeutende Phasen gibt: eine Phase der menschlichen Angst und eine Phase der inneren Gewissheit, dass alles gut wird. Erst in der zweiten Phase ist es möglich, wirklich loszulassen. Natürlich spielen die Zurückbleibenden in jeder dieser Phasen ebenfalls eine Rolle. Manchmal ist es eine geliebte Person, die den sterbenden Partner nicht gehen lassen kann und sein Loslassen – zumindest für eine Zeitlang – unbewusst verhindert. Doch irgendwann kommt unweigerlich der Punkt, an dem man sich verabschieden muss. Sterbebegleiter berichten dabei immer wieder davon, dass über den Tod hinaus eine Verbindung zwischen den Menschen weiterbestehen kann. Manchmal, so auch Erica Meli, habe sie beim Schreiben ihre Buches die Anwesenheit der bereits Verstorbenen spüren dürfen. So seien immer wieder kleine Botschaften aus den anderen Sphären zu ihr gekommen. Auch für sie steht damit fest, dass die Seelen der Verstorbenen nach dem Tod weiterbestehen und mit uns in Kontakt treten können.

Diagnosen, Reaktionen

Bereits beim Empfang einer negativen Diagnose kann der Weg eines endgültigen Abschieds beginnen. Eine große Hürde kann dabei sein, dass die Betroffenen die Diagnose nicht akzeptieren wollen. Fast immer fragen sie sich zudem: »Wieso trifft es mich?« Erica Meli hat wiederholt solche Reaktionen erlebt. So schreibt sie, was die Patienten Inge ihr berichtete:

Und dann kam der Tag, an dem ich mit meinem Mann zu einer ärztlichen Besprechung gebeten wurde. Dabei wurde uns beiden klar und deutlich übermittelt, es handele sich um Krebs. Es sei notwendig, das betroffene Organ zu entfernen. Jetzt war sie da, die Gewissheit einer bösartigen Erkrankung. Angst, Schrecken und die Frage »Wieso ich?« war meine erste Reaktion. Wieso trifft es mich? Ich habe doch nichts falsch gemacht. Ich habe mich gesundheitsbewusst verhalten, gesund ernährt, nicht geraucht, nicht getrunken, nicht exzessiv gelebt.«

Meli fährt in ihrem Bericht fort, dieses typische »Warum ich?« zu hinterfragen:

Ich habe mich gefragt, wieso fast alle Betroffenen immer wieder zuerst die gleiche Frage stellen: »Wieso ich?«

Ich habe einmal irgendwo den Satz gelesen. »Wir sind alle stark genug zu ertragen, was anderen zustößt.« Ja, so denken viele. Ich auch. Man könnte sich auch fragen: »Wieso nicht ich?« Was gibt mir das Recht, nur immer mit einer Selbstverständlichkeit das Beste zu erwarten und auch zu bekommen. Bei einem Unglück oder einer Krankheit kommt dann immer zuerst die Frage: »Wieso ich?« Müssten wir nicht mit der gleichen Konsequenz bei jedem freudigen Erlebnis, jedem glücklichen Zufall auch dasselbe denken. Also zum Beispiel: »Welch ein Glück, welch eine Freude. Wie habe ich das verdient?« Tun wir das? Ich eher nicht. Alles Gute ist selbstverständlich. Doch ist eine Krankheit oder eine Behinderung immer nur negativ zu verstehen? Ich glaube sicher nicht. Es sind alles Erfahrungen, die wir für unser Wachstum benötigen. Es sind die Wachstumsschritte der Seele, die in diese Erfahrung gehen möchte zum Wohl des Menschen. Kann ich eine Erkrankung als Erfahrung annehmen und daraus lernen?

Die beschriebene Patientin Inge hat die Operation glücklicherweise gut überstanden. Umso intensiver erlebt sie heute alles, was um sie herum geschieht – auch kleine Dinge, die wir oft übersehen. Sie erzählt, dass ihre Verbindung mit der Natur und der ganzen Schöpfung ihr viel bewusster geworden sei und sie die Einheit mit allem Leben, mit Gottes Schöpfung heute deutlicher spüre denn je. Über das Miterleben der Apfelblüte im Frühjahr schreibt sie an Erica Meli:

»Aber in diesem Jahr kann ich meine Freude und mein Staunen kaum beschreiben, wohl deshalb, weil es mir im vergangenen Jahr wegen meiner Krankheit nicht möglich war, einen blühenden Apfelbaum aus der Natur zu sehen. Diese Schönheiten in mich aufzunehmen macht mich enorm glücklich.«

Erica Maria Meli
Erica Maria Meli, geb.1941, kam schon als Kind mit der Geistigen Welt in Kontakt und widmete ihr ganzes Leben der Suche nach geistiger Erkenntnis. Durch ihre Arbeit als Krankenschwester wurde sie immer mit dem Thema »Sterben und Tod« konfrontiert und fand hier ihre eigentliche Bestimmung. Sie entwickelte ihren Beruf Krankenschwester zur »Berufung Sterbebegleiterin« weiter.

Buch-TIPP
Erica Maria Meli
Trost und Hoffnung –
Der Tod ist nicht das Ende

200 Seiten, € 16,95
ISBN: 978-3-89427-640-9
Aquamarin Verlag