Kritiksucht und recht haben wollen

Das Kritisieren ist für unendlich viele Menschen zur unhinterfragten täglichen Gewohnheit geworden wie das Essen und Trinken. Die meisten Köpfe sind voller Gedanken wie: »Das sollte der nicht tun« oder: »Sie sollte sich ändern, sich nicht so anziehen, sich nicht so verhalten«. Die einen tun es offen gegenüber Dritten, besonders gern dann, wenn der Betreffende diese Aussagen nicht korrigieren kann; andere tun es ständig in ihren Gedanken.

Robert Betz ist Diplompsychologe, Bestseller-Autor und einer der bekanntesten spirituellen Lehrer im deutschsprachigen Raum. Nach dem großen Erfolg der Live-Meditationen auf seiner Website bietet er dort ab sofort einmal im Monat ein vollständiges, kostenfreies Abendseminar an.
Die Schule des Kritisierens und Verurteilens haben wir schon früh, bereits vor unserer Schulzeit, durchlaufen. Denn auch wir wurden von Eltern, Erziehern, dann von Lehrern und anderen kritisiert, domestiziert, korrigiert und nicht selten degradiert bzw. für unser Verhalten bestraft, indem man uns die Liebe und Wertschätzung entzog. Wenn wir uns nicht angepasst, brav, nett, korrekt verhielten, dann hieß es oft: »So nicht! Ändere dich! So können wir dich nicht akzeptieren!«, oder im Klartext: »Was fällt dir eigentlich ein? Stell dich nicht so an! Was glaubst du eigentlich, wer du bist! So nicht, mein Freund!«

Aus dieser oft täglichen Erfahrung in der Zeit der Abhängigkeit von anderen, in der Erziehung zum »Normalmenschen« wussten wir schließen, dass mit uns etwas nicht stimmt, dass wir nicht in Ordnung, nicht normal und nicht liebenswert sind. Aber der kleine Mensch will, wie der große, nicht ausgegrenzt werden, sondern dazugehören. Er hat noch nicht das Selbstbewusstsein, zu denken: »Ihr dürft über mich sagen oder denken, was ihr wollt! Ich mag mich, so wie ich bin. Ich stehe zu mir.« Die Angst vor Abwertung, vor Verlust der positiven Aufmerksamkeit, der Wertschätzung, Zuneigung und Liebe seiner Mitmenschen sowie die gelernte Haltung der Selbstverurteilung sitzt auch im erwachsenen Menschen oft tief und unbewusst wie eine alte ungeheilte Wunde.

Da es schmerzhaft ist, sich selbst einzugestehen, was man alles an sich nicht mag, dass man mit sich selbst nicht im Reinen und Frieden ist, projiziert der unbewusste Mensch gern seine sich selbst verurteilenden Gedanken auf andere. Er richtet – ausgesprochen oder im Stillen – Forderungen und Erwartungen an seine Mitmenschen (Partner, Kinder, Kollegen und andere), die diese gefälligst erfüllen sollen. Dabei bemerkt er nicht, wie jede Kritik, jedes Urteil ihn selbst betrifft und trifft, wie er mit jeder Kritik sein Opfer-Bewusstsein nährt. Denn jedes Urteil sagt aus: »Weil du nicht so bist, wie ich es für richtig halte, muss ich mich aufregen, ärgern oder unter dir und deinem Verhalten leiden.« Kein Mensch, der kritisiert oder recht haben will, fühlt sich wohl. Er befindet sich in einem Zustand des eigenen inneren Unfriedens, auch wenn er die Ursache hierfür im Außen bzw. bei seinen Mitmenschen wähnt.

Das Kritisieren des anderen ist also eine für den Kritisierenden selbst sehr ungesunde Angewohnheit, die in ihm selbst den Zustand geistiger Unordnung und des emotionalen Unfriedens vermehrt und damit die »unfriedlichen« Verhältnisse in Partnerschaft, Familie, im Freundeskreis, in der Nachbarschaft oder Firma verstärkt. Genauso verhält es sich bei dem, der immer wieder recht bekommen oder haben will und die andere Meinung oder Sichtweise nicht einfach stehen lassen kann.

Meine Wahrheit ist: Jeder hat recht, weil jeder aus seiner ganz eigenen Welt der persönlichen Erfahrungen kommt. Es gibt so viele Standpunkte in der Welt, wie es Menschen gibt, denn genau an dem Punkt, wo ein anderer steht, kann ich selbst nie wirklich stehen.

Ihr

CD-TIPP
Robert Betz
Mich selbst lieben lernen
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Roberto & Philippo